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Das letzte Mal versuchte ich anhand der Wochenschau 451 (Hitlers
Geburtstag) aufzuzeigen, wie in einer bestimmten geschichtlichen Situation der
Nationalsozialismus sich selbst darstellt: Die Apotheose der Armee ist das
Gebot der Stunde, da die Zukunft bereits auf eine bestimmte Weise verplant ist.
Den Nationalsozialismus so darstellen, wie er sich selbst darstellt, heisst, auf
die enge Verbindung zwischen Filmästhetik und propagierter Ideologie einzugehen.
Diesen Ansatz möchte ich in der heutigen Stunde wieder aufnehmen und versuchen
aufzuzeigen, wie visuelle und akustische Äusserungsformen – was man damals als
den deutschen Stil zu finden hoffte – ideologischer Zwecksetzung entsprachen.
Dabei ist einzubeziehen, dass das, was ich als filmische Selbstdarstellung umschreibe,
nicht einfach das Ergebnis einer staatlich dirigierten Kulturpolitik, sondern
Teil einer filmgeschichtlichen und filmästhetischen Kontinuität ist.
Was schliesslich in den Dreissigerjahren in Deutschland filmisch blühte, hatte
vor 1933 begonnen, stand im internationalen Vergleich durchaus konform da und
überdauerte die Trümmerfilme.
Ich greife noch einmal die Thematik der Wochenschauen auf. Denn die deutschen Wochenschauen – übrigens nicht nur die deutschen – sind Musterbeispiele der Verbindung von Ideologievermittlung und filmästhetischer Formgebung.
Ich zeige Ihnen einen kleinen Ausschnitt aus einer Wochenschau, die Hitlers Kriegserklärung an Russland beinhaltet. Die Geschehnisse, die an sich schon bekannt sind, werden in die Form eines Actionfilms gekleidet. Das Thriller-Kino-Muster ist der Filmgattungsrahmen einer politischen Aktion. Wenn man den Text, und die Musik, nach zwei, drei Einstellungen wegnehmen würde, liesse sich der gefilmte Auftakt zur Hitlerrede in eine Kommissar-Sendung als spannungsgeladenen Auftakt zur Verbrecherjagd und anschliessender Pressekonferenz einschneiden.
Es findet sich kein Inhalt, nur Gesten, Rituale, Situation werden gezeigt und als Spannungselemente zu einer Spielfilm-Sequenz montiert. Der Weltkrieg als Kino, so wie ihn Goebbels verstand, als er beim Zusammenbruch seine Mitspieler aufforderte, so zu sterben, dass sie auch noch hundert Jahre später in einem Farbfilm bestehen vermöchten.
Dass die Wochenschau über die Ideologie-Vermittlung hinaus, über die filmästhetisch immanent vollzogenen Selbstdarstellungen hinaus ein präzises Dokument der Zeit werden kann, lässt sich am Beispiel einer Wochenschau ablesen, die Goebbels Rede vom 18. Februar 1943 "Wollt ihr den totalen Krieg" zum Thema hat.
Um Redner und Volk, Sportpalast als Raum des unmittelbaren
Geschehens und über das Radio das deutsche Reich als alles umfassenden Raum
zu einer (Figur-)Einheit zu binden, dominieren im zweiten Teil der Wochenschau
wiederum die Totalen, geht Goebbels in der Allmacht seiner Sprache und seiner Stimme
auf.
Die Herrschaftsideologie wird über die eingebrachte Filmgestaltung wirksam. Dass
zugleich eine visuell nachvollziehbare Entlarvung stattfindet, geht aus jenen
Aufnahmen auch des zweiten Teils hervor, welche die Anwesenden, Hinbefohlenen,
die an der Heimatfront Verbliebenen
zeigen. Auch die Gesten des Jubels und des Sieges sind müde geworden. Die
Zeichen der Macht sind nur noch mechanischer Ausdruck eingeübter
Verhaltensformen.
Aufschlussreich ist, dass die letzten Wochenschauen Nazideutschlands ungeglättete Reportagen des Untergangs sind. Es scheint, als würden die Kameraleute die Chance wahrnehmen, endlich die Realität zu filmen – die von jeder Ideologie entblösste Wirklichkeit, die das Ergebnis einer ideologisch bestimmten Sicht der Wirklichkeit war.
Für Zusammenhänge zwischen filmischer Gestaltung und Ideologie-Vermittlung sind die Filme Leni Riefenstahls beispielhaft. Sie verstand es, die nationalsozialistischen Inszenierungen nicht nur zu dokumentieren, sondern in eine entsprechende Filmgestaltung, Filminszenierung umzusetzen. Sie besass ein einmaliges Sensorium, jene Ästhetik zu finden, die der Ideologie der Verkündigung nationalsozialistischen Machtanspruchs entsprach. Sie selbst sieht heute ihre Filme nicht als Propagandafilme, obwohl sie vom Regime mit einer klaren Zwecksetzung in Auftrag gegeben worden waren, sondern sie stuft ihre Filme als Dokumente der Zeit ein: als über den Untergang hin gerettetes Cinéma direct.
[Denn als sie] sich in einem Interview, das sie der französischen Filmzeitschrift Cahiers du Cinéma gewährte, gegen den Vorwurf, sie habe nationalsozialistische Propagandafilme gedreht, zu verteidigen versuchte, erklärte sie, ihre Dokumentarfilme wie TRIUMPH DES WILLENS oder OLYMPIA – FEST DER SCHÖNHEIT, FEST DER VÖLKER seien keine Propagandafilme gewesen, sondern Dokumente einer gelebten Gegenwart, ein Stück "cinéma vérité". Sie habe sich nicht für Politik interessiert, sondern für das "Schöne, Starke, Gesunde und Lebendige", und das fand sie eben am Nürnberger Parteitag von 1934 und an den Olympischen Spielen von 1936.
Und sie fand es wieder, das "Schöne, Starke, Gesunde, Lebendige": als Fotografin in Schwarz Afrika angesichts nackter Körperlichkeit von ringenden Männern und ekstatisch tanzenden Frauen.
Da ich Leni Riefenstahls Nürnberg-Film mit dem trotz allem bezeichnenden Titel TRIUMPH DES WILLENS nie gesehen habe, ziehe ich für unsere Fragestellung ihren Olympiade-Film bei: OLYMPIA, FEST DER SCHÖNHEIT, FEST DER VÖLKER ist ein Dokument der Zeit und besitzt historischen Informationswert, doch der Film will nicht in erster Linie eine vorhandene Wirklichkeit vermitteln – wie Leni Riefenstahl mit der Umschreibung des cinéma vérité behauptet –, sondern er will die vorhandene Wirklichkeit so umsetzen, dass der durch die nationalsozialistische Ideologie geprägte Inhalt eine entsprechende Wirkung erhält. Insofern ist der Film ein Dokument nationalsozialistischer Selbstdarstellung und nationalsozialistischer Inszenierungsmodelle.
Gehen wir einmal der Fragestellung nach, wodurch der Dokumentarfilm zum Propagandafilm, die Fabrik der Fakten – um einen Begriff von Vertov aufzunehmen, der sich zur filmischen Tendenz bekennt – eine Ideologiefabrik wird.
Der Film beginnt im alten Griechenland, dem Griechenland der Heroen,
der ewigen Tempel hehren Statuen, dem Griechenland der schonen Leiber, der
reichen, geschmeidigen Stärke. Aus
mythischem Urgrund, der durch eine dunkelgefärbte, magisch-irritierende
Fotografie Beschwörer wird, steigt einer
kosmischen Geburt gleich – das perikleische Zeitalter, das goldene Zeitalter,
das glückliche Zeitalter der Einheit von Gott
und Mensch, Kunst und Mensch.
Aus diesem Griechenland, das in der filmischen Gestaltung teilweise an Murnaus
FAUST erinnert, wird die Fackel der
olympischen Spiele von einst über die Jahrhunderte hinweg in einem gewaltigen
Durchlauf durch den – noch zu erobernden – Balkan und die deutschen Lande
direkt ins Olympia-Stadion von Berlin gebracht. Die Kamera fährt von weit oben
– man fühlt sich an Griffiths Babylon-Sequenz aus INTOLERANCE erinnert – auf das
Stadion zu, das berstend gefüllt die
Leinwand zu sprengen droht.
Der Fackelträger biegt ins Stadion ein, und eingeblendet auf den Hintergrund
der Menschenrassen, die das Feuer des perikleischen Zeitalters empfangen,
leuchtet, von rechts nach links schauend, das Gesicht Hitlers auf.
Diese wagnerianische Ouvertüre mit faustischen Liebelschwaden und
oberstudienrätlichen Belehrungen über die mythischen Urgründe der Entstehung
von Kultur und Zivilisation, über Lauer in der Geschichte und ihrer Zusammenhänge
zwischen Zeus, Apollo, Perikles und ihrer modernen Renaissance im
tausendjährigen Reich dauert eine halbe Stunde. Erst dann setzt die Reportage über
die Olympischen Spiele ein. Der Zuschauer wird zunächst einmal in die klassische
Schönheit eingewiegt, die im Augenblick der Olympischen Spiele als Werk von
Gottvater-Zeus-Hitler neu ersteht.
Nach dieser magisch-mythischen Ouvertüre, dieser filmischen Alchimie von
sinnlichem Kalbdunkel, von tiefgründigem Zauber, da Statuen Menschen werden, da
Statisches der Jahrtausende sich in schöne Jugendstilbewegung verwandelt und
schliesslich gesundes, blühendes, sportliches Leben wird, verändert sich
scheinbar der Film. Jedoch nur scheinbar. Die Form wird anders, die Intention
bleibt gleich. Leni Riefenstahl arbeitet jetzt mit einem geradezu modern
anmutenden Reportagestil: Sie zeichnet folgerichtig auf, was geschieht, liest
aus, was wichtig zu sein scheint, liefert Information über Sport und sportliche
Leistung.
Während in der Ouvertüre Fotografie und Lichtzauber, eine weiche, hinfliessende
Bildmusikalität den Zuschauer in Bann zog, ist es nun die Montage, welche die
Aufgabe bekommt, zwingend zu wirken. Und zwar ist es die dialektische Montagetechnik
der Russen, welche von Leni Riefenstahl angewandt wird.
Goebbels Begeisterung für Eisensteins PANZERKREUZER POTEMKIN – übrigens zum Ärger Eisensteins – scheint
von Leni Riefenstahl durchaus verstanden worden zu sein, wie übrigens auch in
Steinhoffs anti-englischem Film OHM KRÜGER (1941) die Szene mit dem verdorbenen
Fleisch paraphrasiert wird.
Ein Beispiel für Leni Riefenstahls angewandter Montagestil:
In abgestuften Wechselbildern montiert sie z. B. die Steigerung der deutschen
Hochsprungsportlerin im Kampf mit ihrer Rivalinnen und schneidet immer wieder
das Bild des Führers dazwischen, der angespannt, in Gebetsstellung beschwörend,
das Geschehen mitleidet, dann leitet, vorantreibt, sodass, wie endlich die
deutsche Sportlerin den Sieg erreicht, nicht sie gesiegt, sondern Hitler oder
auch sie durch Hitler oder dank Hitler gesiegt hat. In der Fora, einer
eisensteinschen Attraktionsmontage, wird die Synthese zur Apotheose auf Hitler. Und zugleich ist die Identität zwischen Hitler
und dem deutschen Volk gegeben, das dank dem Gebet Hitlers zum Siege sich hoch
kämpfte.
Durch die von Leni Riefenstahl eingesetzte filmische Gestaltung werden die gefilmten Fakten – Sportlerin, ihre Rivalinnen, Masse und Hitler – Darstellung eines politischen Inhalts: auch eine Art, cinéma vérité zu verstehen, indem nämlich tatsächlich die Art der Gestaltung die Gemütsideologie des Nationalsozialismus spiegelt.
Leni Riefenstahl hatte ihre gigantischen Aufträge bekommen, weil Hitler ihre romantische Berglegende DAS BLAUE LICHT, 1932 entstanden, über alles schätzte. Der Historiker müsste sich die Frage stellen, weshalb Hitler diesen Film so sehr liebte – auch dies wäre eine Möglichkeit geschichtlicher Forschung: über Rezeptionsanalysen über Menschen etwas zu erfahren, was nicht in den offiziellen Quellen steht. Äusserlich mag Riefenstahls Film DAS BLAUE LICHT über Schicksalhaftigkeit und magischer Faszination ein Beispiel des Blut- und Boden-Mythos sein, wie er von der nationalsozialistischen Ideologie propagiert wurde. Zugleich hat der Film jedoch eine Aussenseiterin zur Heldin, die vom Volk gejagt wird, als wäre sie eine Hexe – als wäre sie eine Jüdin, die es zu vernichten gilt. Weshalb liebte Hitler den Film einer Frau, der eine aus der Volksgemeinschaft ausgestossene Frau zur Heldin hat?
Wir sprachen von Ideologievermittlung und ihrer Beziehung zur
jeweiligen Filmästhetik. Dokumentarfilme mit propagandistischen Tendenzen sind
aber nicht nur in Beziehung zur Gestaltungsweise zu sehen, sondern ebenso sehr
auch zur Rezeptionssituation. Damit eine Propaganda, die sich auf
dokumentarische Authentizität beruft, wirksam wird, braucht es ein
entsprechendes soziales und politisches Umfeld.
Für diese Problematik möchte ich einen antisemitischen Agitationsfilm
beiziehen, der sich in seiner Hinterhältigkeit kaum übertreffen lässt und
heute auf ganze andere Weise zu einem historischen Dokument geworden ist:
DER EWIGE JUDE, 1941, des Reichsfilmintendanten Fritz Hippler. Das Drehbuch schrieb
Dr. Eberhard Tauber, der nach dem Krieg in der Bundesrepublik statt
antisemitische Drehbücher zu schreiben sich auf antikommunistische Tätigkeit
spezialisierte, während Hippler in der Ostzone antiamerikanisch tätig wurde.
Für Fritz Hippler sollte der Film eine SYMPHONIE DES EKELS UND ENTSETZTENS werden. Und anlässlich der Aufführung des Films am 20. Januar 1941 in Litzmannstadt, dem ehemaligen polnischen Lodz konnte man im Filmkurier lesen, wobei die Presse angewiesen worden war, in ihren Filmbesprechungen besonders auf die Authentizität des Filmmaterials und die objektiv wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas einzugehen:
«... hier in Litzmannstadt, dem früheren polnischen Lodz, wurde ja ein grosser Teil dieses Bildstreifens gedreht. Hier im Ghetto fing die Kamera jene Typen des Judentums ein, die das Weltjudentum am sichtbarsten zu verkörpern vermögen. In den Winkeln, Gassen und Höhlen der jüdischen Viertel, aber auch in überladen-pompösen Palästen, die heute allerdings anderen und wertvolleren Zwecken dienen, hausten jene Gestalten und wurden jene wüsten Gesichter entdeckt, die das Filmwerk uns zeigt. Durch das Ghetto von Litzmannstadt wanderte damals, noch ehe die ordnende Hand der deutschen Verwaltung eingriff und diesen Augiasstall ausmistete, die Filmkamera, um ein tatsächliches, ein unverfälschtes Bild jenes stinkenden Pfuhls zu erhalten, von dem aus das Weltjudentum seinen ständig fließenden Zustrom erhielt.» |
Diese Aufnahmen, die einen Augiasstall zeigen sollten, den es au vernichten galt, sind heute historische und ethnologische Dokumente einer tatsächlich vernichteten Welt. Was im Gegensatz zu Bach, deutscher Gotik und abendländischen Kultur gesetzt und in Zusammenhang mit entarteter Kunst der Expressionisten und verwerflicher Geschmacksverirrungen von Negern und anderen unterentwickelten Naturvölkern gebracht wurde, sind heute Dokumente jüdischer Musik, die in der Synagoge von Lodz in wirklich authentischer Form gesungen wurden. Der kulturelle Ekel von damals, von Akademikern voller Entsetzen zu einer Collage der Verwerflichkeiten montiert, ist heute erschütterndes Filmmaterial untergegangener jiddischer Kultur.
Zur Symphonie noch: Am Ende des Films assoziiert eine Schächtungsszene, die übrigens deutsche Frauen nicht ansehen durften, von Juden begangene Massaker in Polen, während in Wirklichkeit die von der deutschen SS begangenen Massaker gefilmt und in den Film einmontiert wurden.
Wenden wir uns dem deutschen Spielfilm der nationalsozialistischen
Zeit zu. Das Jahr 1933 ist dadurch gekennzeichnet, dass Filme in die Kinos
kommen, die noch in der Weimarer Zeit gedreht worden waren. Doch Filme wie Langs
DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE und Ophüls LIEBELEI trugen politische Problematik
oder die melancholische Stimmung des Abschieds in sich.
Fritz Langs Film DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE erlebte trotz Ankündigung seine Uraufführung
nicht mehr. An seiner Stelle wurde am 23. März 1933 im Ufa-Palast am Zoo uraufgeführt:
BLUTENDES DEUTSCHLAND. DER FILM DER NATIONALEN ERHEBUNG. DEM DEUTSCHEN VOLK
GEWIDMET. Langs Film war mit seiner Darstellung des Terrors durch eine anonyme
Macht sofort politisch verdächtig. Obwohl Goebbels Langs NIBELUNGEN in seiner
Rede vom 28. März 1933 im Kaiserhof als für die nationalsozialistische Zukunft
nachahmungswürdigen Film lobte, wurde DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE wegen
«Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit» verboten.
Anderseits kamen 1933 nach der Machtergreifung Hitlers Filme, noch in der Zeit der Republik konzipiert und realisiert dem Geist der Neuen Zeit huldigten. Bereits 1930 war Gustav Ucickys DAS FLÖTENKONZERT VON SANS SOUCIS als nationalistische Apotheose ins Kino gekommen und die NSDAP hatte – in weiser Voraussicht – eine Reichsfilmstelle begründet.
Während die Zensur die Remarque-Verfilmung IM WESTEN NICHTS NEUES
verbot, schützte die Polizei Ucickys Fridericus-Film – so nannte man die Filme
üben Friedrich den Grossen von Preussen als Vorläufer Adolf Hitlers – gegen die
Demonstrationen von links. Von Ucicky, von dem die Legende geht, er sei ein
illegitimer Sohn Gustav Klimts gewesen, stammt auch MORGENROT, ein Kriegsfilm
über Gehorsam und treue Pflichterfüllung. Der noch vor der Machtergreifung
entstandene MORGENROT soll der erste Film gewesen sein, den sich Hitler als
Kanzler angesehen habe. Der Film handelt von einem auf Grund gegangenen
Unterseeboot: ein Lieblingsthema auch des faschistischen Kinos in Italien und
auch des Neokonservativismus im Jahre 1982.
Wir sehen uns die Szene an, da für zehn Männer nur acht Schwimmwesten an Bord sind
– eine Schlamperei, die bei einem deutschen Unterseeboot nicht geschehen
dürfte, aber dafür Anlass wird, für Deutschland zu sterben. Schauen wir uns,
respektiv hören wir uns an, was sich da unter Wasser abspielt. Kernsätze sind:
«Ich könnte zehn Tode sterben für Deutschland, hundert.» «Zu
leben verstehen wir Deutsche vielleicht schlecht. Aber sterben können wir jedenfalls
fabelhaft.» Das reimt sich auf Apfelsaft.
Neben Gustav Ucicky ist Hans Steinhoff der andere Regisseur, der mit
seinen Filmen von Anfang an nicht nur dem Nationalismus, sondern der NSDAP und
ihrem Kampf gegen den Kommunismus huldigte. Nach Stummfilmen und später Tonfilmen in Deutschland, Frankreich England, Holland
und in Hollywood drehte er 1932 HITLERJUNGE QUEX, einen atmosphärisch ungemein
dichten Film, der ganz der Stimmung eines KUHLE WAMPE, eines M oder MUTTER
KRAUSES FAHRT INS GLÜCK angehört: D. h. Steinhoffs Film steht in der Tradition
eines politisch engagierten Realismus, der von den Herstellern als progressiv
deklariert und von der rechten Kritik als kommunistisch verseucht bezeichnet
wurde. In diese realistische Filmlandschaft eines Slatan Dudow, Fritz Lang und
Carl Junghans siedelt Hans Steinhoff die Geschichte eines kommunistischen
Jungen an, der zur Hitlerjugend bekehrt, den Opfertod für die Partei stirbt.
Der Film gibt sich aktualitätsgebunden, indem er die Ermordung eines Jungen
namens Herbert Norkus durch Kommunisten zu Beginn des Produktionsjahres als
Stoff für einen Film nimmt, der junge Menschen – gleich dem Bekehrungsschema im
Film – für die Hitlerjugend gewinnen will.
Die realistische Form des Films versteht sich als Reportagestil, der Wirklichkeit
und Film zu einer Einheit verschmelzen soll. In dem Sinne hat auch Wirklichkeit
und Kino zu einer Einheit zureden, wenn der Anführer der Hitlerjugend, der
Dichter "Baldur von Schirach" bei der Uraufführung Wirklichkeit, Film und
seine einstige Rede in symbiotische Verbindung bringt. Propaganda versteht sich
hier als Teil gelebter Taten, gelebten Lebens, und Film ist nur die
propagandistische Fortsetzung des politischen Auftrages.
Wie sehr hier filmischer Realismus Teil einer grösseren Inszenierung ist, bei der die Aufführung des Films selbst wieder zur Inszenierung wird, geht aus einer Beschreibung von Oskar Kaibus über die Premiere des Films hervor. Die Grenzen von Wirklichkeit und Kino, von Wirklichkeit und realistisch inszenierter Fiktion werden fliessend, wenn jede Tat politische Auswirkungen haben soll, und dies ist die Zwecksetzung des propagandistischen Films.
Oskar Kaibus schreibt über die Premiere des Films:
«Es war ein denkwürdiger Tag, als der Führer Adolf Hitler am Abend des 12. September 1933 in der Rangloge des Münchner Ufa-Palastes Platz nahm, um durch seine Anwesenheit die toten jungen Kämpfer zu ehren, die, wie der Film HITLERJUNGE QUEX, gestorben sind für das freie neue deutsche Vaterland. Brückners Symphonie ist verrauscht. Vor dem Vorhang der Bühne steht der Reichs Jugendführer Baidur von Schirach, die Hand erhoben zum Deutschen Gruss: Mein Führer! Deutsche Volksgenossen! Ich kann hier keinen Vortrag halten über den Film HITLERJUNGE QUEX, denn dieser Film soll für sich selbst sprechen. Ich kann nur einen Augenblick lang Ihre Gedanken hinlenken auf den jungen Kameraden, dessen Schicksal in diesem Film dargestellt wird. Auf diesen kleinen Kameraden, der nicht mehr unter uns sein kann, weil er schon einundeinhalb Jahre unter der Erde liegt. Es war in der Zeit des schlimmsten Terrors, da stand ich vor 2000 Berliner Hitlerjungen auf einem Generalappell der Berliner HJ und sprach zu ihnen vom Opfer, vom Führer und vom Heldentum. Es lag über diesem Appell eine drückende Atmosphäre, wir ahnten ein furchtbares Geschehen. Ich weiss nicht, wie es kam, ich sprach von dem Einsatz, den jeder von uns bringen muss, und sprach davon, daß unter den Zweitausend einer sein könne, den ich am nächsten Tag nicht mehr sehen würde. Und ich sagte zu ihm: Danke du, daß du dieses Schicksal auf dich nehmen musstest, dass du unter den Millionen die Ehre hast, den Namen des Hitlerjungen zu tragen, daß du ein Führer in einer Gemeinschaft sein darfst, die du verkörperst. – Am nächsten Morgen fiel der Hitlerjunge Herbert Norkus von der Hand marxistischer Mordbanditen. Wo damals der kleine Hitlerjunge fiel da steht heute eine Jugendbewegung von eineinhalb Millionen Kämpfern. Jeder einzelne bekennt sich zum Geist des Opfers, der Kameradschaftlich möchte, daß wir gerade in dieser Stunde uns zu seinem Gedenken erheben. – Wir wollen weiterkämpfen in seinem unbeugsamen Geist. Heil Hitler!» |
Der Film erzählt die Geschichte des kleinen Heini Völker, der übrigens authentisch von einem Hitlerjungen gespielt wird und der abgestossen vom widerlichen ungeordneten promiskuitiven Treiben kommunistischer Jugendlicher den Weg zur sauberen, geschlechtlich getrennten, tadellos gekleideten Hitlerjugend findet. Dies spielt sich während eines Jugendlagers ab, da die Gegensätze von Chaos und Ordnung, von Lasterhaftigkeit und Reinheit, von heimatlosem, die Internationale und Schlager singendem Pöbel und Marschkolonnen bildenden Jungens und Mädels germanischen Geblüts.
Ich zeige Ihnen zunächst eine Szene, in welcher der junge Heini Völker in den Zwiespalt zwischen seinen kommunistischen Vater und den Jugendsturmbannführer gerät, und sich entscheiden soll wohin er gehört: Die Figuren sind genau gezeichnet. Heinrich George, der ehemalige Kommunist, der inzwischen das Theater Piscators verlassen hatte, spielt den Proleten, der im Ersten Weltkrieg "Bewegung" als Kriechen im Dreck erlebt, wegen des Herumsitzens als Arbeitsloser dick geworden ist und sich zu seinen Kampfgenossen bekennt. Ihm gegenüber steht der Jugendstummbannführer: in Gestik, Visage und Sprache wie zum Nazitum gemeisselt – gleichsam eine Karikatur.
Dieses eigenartige Phänomen zieht sich durch den ganzen deutschen Film der nationalsozialistischen Zeit und ist besonders in Spielfilmen mit propagandistischen Tendenzen zu finden. – Nationalsozialisten oder Gesinnungsgenossen oder Gestalten, die in historischer Nähe oder assoziativ zum Nationalsozialismus stehen, wirken wie Nazis, die in antideutschen Filmen zur Darstellung kommen. Doch nicht nur das Bild ist bezeichnend, sondern wiederum die Sprache, wenn sich der Bannführer jugendbewegt gibt und in sokratischer Gesprächsführung seinen proletarischen Widersacher zum Bekenntnis auf Deutschland hinlenkt.
Solche Dialoge hätte der Stummfilm nicht einarbeiten können. Der Dialog-Naturalismus, der hier auch in der stimmlichen Intonation gepflegt wird, ist das Ergebnis von drei Jahren Erarbeitung der akustischen Möglichkeiten. Der Rundfunk war das Medium Hitlers. Goebbels brachte den Film. Der Ton kam auch ideologisch zum Bild.
Der Junge hat zu entscheiden. Er geht nicht zu den Zigeunern, nicht
in die Wälder und was sonst noch so wundervolle Jungens tun, sondern er geht
zur Hitlerjugend, in die er ehrenvoll aufgenommen wird, nachdem er einen Überfall
der kommunistischen Jugend an seine neuen Freunde verraten hat. Zur Weihe
bekommt er das höchste aller Güter: die Uniform.
Und in der Uniform erlebt er auch seinen Opfertod, von dem Baldur von Schirach
in seiner Ansprache bei der Premiere des Films schwärmte. Bei der Verteilung
von Flugblättern wird er von einem kommunistischen Mordkommando gejagt und
getötet.
HITLERJUNGE QUEX sollte ein "Film vom Opfergeist der deutschen
Jugend" sein, wie es auf dem Plakat hiess. Die Endsequenz ist durchaus
meisterhaft, politisch demagagogisch gestaltet. Die Strassen, der leere Platz
mit dem Wagengefährt, die Budenstadt, der Rummelplatz, der mechanische Trommler –
wäre es ein französischer Film, würde man von Anfängen des poetischen
Realismus, des lyrischen Pessimismus eines Carné der späten Dreissigerjahre
sprechen.
Nur das Ende ist politische Marsch-Apotheose: "Unsere Fahne flattert uns
voran."
Der realistische Stil, zunächst von gesellschaftskritischen Regisseuren als
Ausdrucksmittel ihres politischen Engagements verkündet, von Steinhoff als ein
Realismus für die Revolution von rechts eingesetzt, bricht in eine plumpe
Aufforderungsdramaturgie um: mitzumarschieren in der militärischen Masse, wie
es sich gehört.
HITLERJUNGE QUEX war einer der letzten Filme, die der Verherrlichung der NSDAP dienten. Goebbels liebte eine feinere Form der Propaganda. Märsche sollten nicht auf der Leinwand inszeniert werden, sondern in Wirklichkeit.
Selbstdarstellung nationalsozialistischer Menschen. Wir haben
beobachtet, aus heutiger Sicht wirken
sie oft wie Karikaturen. Ich zeige Ihnen ein weiteres Beispiel aus dem Film D III
88 von Herbert Maisch (1939), wonach wie bei Karl Ritters POUR LE MÉRITE (1938)
Jagdfliegerei und Frontkameradschaft von einst – d. h. im Ersten Weltkrieg –
Voraussetzungen für die neue Luftwaffe sind.
Ein Offizier spricht zu seinen Fliegern. Achten Sie auf die Gesten, die Sprache,
den schnarrenden Ton, die Ausdruckslosigkeit des Gesichtes und auf den Inhalt
der Sätze. Wiederum werden – die Chance des Tonfilms wahrnehmend – Leitsätze zum
Auswendiglernen abgegeben.
Man glaubt sich in einen antideutschen Film, ja in einen antimilitaristischen
Film verirrt zu haben, so kalt und schnauzig wird das Bild eines deutschen
Offiziers entworfen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Hier wird das Bild des Vorbilds aufgebaut. Die
Zielsetzung ist, dass der Zuschauer einer in Sprache und Haltung umgesetzten, Bild
gewordenen Ideologie militärischen Geistes nacheifern sollte.
Wenn man von der Selbstdarstellung des Nationalsozialismus und des
nationalsozialistischen Militarismus absieht, fragt man sich, was der
Nationalsozialismus wirklich war. Denn wenn Bilder, die damals identifikationskräftig sein sollten und ihre
Identifikation auch fanden, heute als Topos in einem antifaschistischen Film eingesetzt
werden können, stellt sich die Frage, welcher Topos von Gesten, Haltungen,
Sprache und von formulierten Wertsystemen sind gleichsam schwebend in den Raum
gesetzt und je nach Zeit und gesellschaftlichpolitischer Situation werden sie
anders erlebt und auch anders wirksam. Das bedeutet aber auch, dass diese
Gesten, diese Sprache, diese Wertvorstellungen wieder identifikationskräftig
werden könnten.
Filmgeschichte hat auch mit Geschichte zu tun. In der Filmgeschichte sind wir
mit den visuellen akustischen Erscheinungen einer Zeit konfrontiert. Beunruhigend
ist, dass sich die Geschichtswissenschaft – mit wenigen Ausnahmen –
weigert, sich mit der Frage zu beschäftigen, was die Hintergründe zu solchen
Bildern, Gesten, Zeichen und Inhalte sind, worin der auslösende Faktor zu
suchen wäre. Denn dann könnten auch Gesten, Bilder, Zeichen, Inhalte unserer
unmittelbaren Gegenwart einer Analyse ausgesetzt erscheinen. Mit einem milden
Lächeln über die Selbstkarikatur im Rahmen einer konformen Selbstdarstellung
ist es nicht getan, denn die Selbstdarstellung war vor nicht zu langer Zeit das
anstrebungswürdige Rollenbild, das karrierenbewusste Selbstbild. Schauen wir es
uns an.
Ich sprach von Filmen, die vor der Machtergreifung Hitlers
entstanden, bereits den Tendenzfilm der kommenden Jahre antizipiertet. Wir
stellten fest, dass die visuelle und akustische Machart in enger Verbindung zur
Ideologievermittlung steht. Zu verfolgen wäre nun, wie der nationalsozialistische Staat den Film in die neue
gesellschaftliche Wirklichkeit
integrierte. Voraussetzung war, dass Hitler und Goebbels ausgesprochene
Kinonarren waren und den Film liebten.
Am 13. März 1933 wurde Josef Goebbels Reispropagandaleiter der NSDAP, indem er
das zwei Tage vorher geschaffene Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda
übernahm. In verschiedenen Reden hat sich Goebbels immer wieder mit Film, Filmästhetik und
der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Films beschäftigt. Kaum war er im
Amt, sprach er am 28. März 1933 an einem Bierabend zur "Dachorganisation
filmschaffender Künstler Deutschlands", zum "Reichsverband deutscher
Filmtheaterbesitzer" und zur "Spitzenorganisation der deutschen
Filmwirtschaft".
In dieser Rede verkündet Goebbels die grundsätzliche Bereitschaft
der neuen Reichsregierung, den Film mit allen Mitteln zu unterstützen, doch
dieser neue Film soll aus der neuen Zeit geboren, volksverbunden und zugleich
künstlerisch, da grosse Kunst stets aus dem Volke komme, für die neue Zeit
dastehen und für sie einstehen. Anlässlich dieser Rede lobte er Eisensteins
PANZERKREUZER POTEMKIN – ein Lob, das er später wiederholte, was Eisenstein so
ärgerte, dass er in einem Offenen Brief – am 22. März 1934 – Goebbels
antwortete und dabei dem nicht-existenten nationalsozialistischen Realismus den
existenten sozialistischen Realismus gegenüber stellte.
In der Dokumentation der Filmstelle ETH zum Begleitprogramm ist dieser Brief
abgedruckt, der aus verschiedenen Gründen lesenswert ist. Goebbels' Hinweis auf Eisensteins Revolutionsfilm ist insofern beachtenswert,
als Goebbels hier seine Grundhaltung umschreibt: Um eine wirksame Propaganda zu
betreiben, braucht es das filmische Kunstwerk:
«PANZERKREUZER POTEMKIN […] ist fabelhaft gemacht, er bedeutet eine filmische Kunst ohnegleichen. Das entscheidende "Warum" ist die Gesinnung. Wer weltanschaulich nicht fest ist, könnte durch diesen Film zum Bolschewisten werden. Dies beweist, dass Tendenz sehr wohl in einem Kunstwerk enthalten sein kann, und auch die schlechteste Tendenz ist zu propagieren, wenn es eben mit den Mitteln eines hervorragenden Kunstwerks geschieht.» (Rede vom 28.3.33) |
Goebbels hat nun in der Folge mit allen Mitteln versucht, jenen Film
zu unterstützen, der ihm künstlerisch zu sein schien und der zugleich der nationalsozialistischen
Ideologie entsprach.
Tendenz hiess für Goebbels aber nicht einfach Propagandafilm, sondern auf
möglichst subtile Weise, das Volk zu
erziehen, ohne dass das Volk merkt, dass es erzogen wird. Entscheidend ist,
dass das Mittel zur Erziehung in den Händen der Staatsführung liegt.
Für Goebbels war Film eine ökonomische und eine ideologische Angelegenheit.
So galt es, den deutschen Film finanziell zu stützen und unterstützen. Für die
deutschen Filmschaffenden aller Stufen begannen gute Zeiten. Der Staat stellte
die finanziellen Mittel zur Verfügung. Die bereits am 1. Juni 1933 geschaffene Filmkreditbank hatte für einen reibungslosen
Ablauf der Produktion zu sorgen. Die Kunst wurde von Goebbels für frei erklärt,
nur hatte sie sich an bestimmte Normen zu gewöhnen. Die Normen wurden einerseits
durch ein Produktionskontrollsystem umschrieben, das so perfekt funktionierte,
dass die vorgeschriebene Zensur am Ende der Filmherstellung geradezu wie eine
Perversion erscheint. Anderseits wurde das Filmschaffen berufsständisch
geordnet.
Bereits am 14. Juli 1933 entsteht die vorläufige Filmkammer, die am 15.
November 1933 als Reichsfilmkammer in die Reichskulturkammer integriert wird. In den einschlägigen Gesetzesparagraphen des Ausführungsgesetzes ist zu lesen:
§ 3 bestimmte sodann: «Der Filmkammer muss angehören, wer gewerbsmässig oder gemeinnützig als Unternehmer Bildstreifen herstellt, vertreibt oder aufführt oder wer als Filmschaffender bei der Herstellung von Bildstreifen mitwirkt. Die Aufnahme in die Filmkammer kann abgelehnt oder ein Mitglied ausgeschlossen werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller die für die Ausübung des Filmgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.» «Durch die Aufnahme in die Filmkammer erlangt der Aufgenommene die Befugnis, innerhalb des Reichsgebietes sich auf dem Gebiet des Filmgewerbes zu betätigen (62).» Ausserdem wurde bestimmt: «Die öffentliche Vorführung eines Bildstreifens ist unzulässig, wenn sein Hersteller nicht die Mitgliedschaft aller an dem Bildstreifen Beteiligten nachzuweisen vermag (63).» |
Das hiess: Wer nicht Mitglied der Filmkammer wurde, konnte seinen Beruf nicht ausüben, und diese Mitgliedschaft konnte verweigert werden. Mit Hilfe der Reichfilmkammer und der entsprechenden Reichslichtspielgesetzen – Sie sehen, es geht alles legal zu –, konnte Goebbels die sukzessive Gleichschaltung des Films durchsetzen. Mit dem Verbot der Kunstkritik 1936 war die Übernahme der Filmindustrie durch den Staat abgeschlossen. Denn wenn alle Filme nationalsozialistisch sind, gibt es auch nichts mehr zu kritisieren. Erlaubt war nur noch die Kunstbesprechung, d. h. die im nationalsozialistischen Sinne teilnehmende Interpretation des Werkes.
Bereits 1933 formulierte Goebbels: "Es gibt keine Kunst ohne Tendenz und die tendenziöste ist die, deren Schöpfer behaupten, sie habe keine." Anlässlich der Kriegstagung der Reichsfilmkammer am 15. Februar 1941 hat Goebbels all seine Vorstellungen über Film, Propaganda, Filmtechnik, Filmkosten zusammengefasst und so etwas wie eine nationalsozialistische Filmsoziologie entworfen. Die Filmproduktion wird Teil des totalen Krieges:
«Damit ist also der totale Krieg Gültigkeit geworden. […] Wir scheuen uns also gar nicht, offen zu proklamieren, dass wir heute in
allen künstlerischen Verlautbarungen zum öffentlichen Leben auch eine
Erziehungssache sehen, daß die Kunst nicht für sich lebt, sondern dass sie in
der Gemeinschaft lebt und dass sie eine pädagogische Aufgabe zu versehen hat. |
Damit möchte ich Ihnen zum Abschluss der heutigen Stunde zwei
Ausschnitte aus einem wirklichen Propagandafilm zeigen.
Nämlich zwei Ausschnitte aus Gustav Ucickys antipolnischem Film HEIMKEHR, der
am 10. Oktober 1941 in Wien seine Uraufführung erlebte. Zwei Jahre nach dem Überfall auf Polen sollte gezeigt werden, wo der Ursprung
jeglichen Übels lag. Neben den Juden sind es die Polen, die mit ihrer brutalen Unterdrückung
deutscher Minderheiten dem Reich den Krieg aufzwangen.
Ucickys Film geisselt durchaus eindrücklich und filmisch rasant, sentimental und
kinogemäss realistisch all die Übeltaten, welche die Polen an den Deutschen 1939
begingen, bis die Stukas den Weg in die Heimat freischossen. Die polnischen
Taten erscheinen wie Projektionen all dessen, was die deutsche Besatzungsmacht
seit 1939 den Polen antat.
Der "Völkische Beobachter" sieht dies anlässlich der Premiere anders. Er schreibt am 24. Oktober 1941, um seinen Standpunkt in dieser Angelegenheit
klar zu machen:
«Vor dem Hintergrund der historischen Weltentscheidung führen die in diesem grossen und ergreifenden Film werk gezeigten Schicksale Volksdeutscher Männer und Frauen aus dem Spätsommer des Jahres 1939 zu dem Grund des uns aufgezwungenen Schicksalskampfes. Deutschland ging es nicht um imperialistische Eroberungen; die Anerkennung des Lebensrechtes deutscher Menschen in der Welt stand am Beginn, die Sicherung ihres Daseins an Leib und Seele. Was in diesen Tagen und Wochen in den Stimmen der Regierenden über den Kanal und den Atlantik zu uns tönt, das nahm in den Dezennien vor dem 1. September 1939 in der Not der Volksdeutschen seinen Anfang: der brutale Wille der plutokratischen Demokratien, Deutschland und die Deutschen zu vernichten, zu ermorden, auszurotten. Die Schicksale des Filmwerkes HEIMKEHR stehen für Hunderttausende andere.» |
Ucickys Film wurde prädikativ als "staatspolitisch und
künstlerisch besonders wertvoll" und als "jugendwert" empfohlen
und zum "Film der Nation" erklärt.
Ich zeige Ihnen zwei Szenen und die Schlussapotheose der Heimkehr ins Reich mit
dem milde lächelnden Adolf Hitler. Zunächst die Verfolgung einer deutschen Frau durch einen kahlköpfigen
Untermenschen, der ihr das Hakenkreuz vom Halse reisst, und die Steinigung der
Frau und dann der grosse Monolog Marias, gespielt von Paula Wessely, die mit
ihren Leidensgenossen in einem polnischen Kerker, im kalten Wasser stehend, schmachtet
und von der deutschen Heimat und einem deutschen Tode träumt. Im Hintergrund
kurz sichtbar Attila Hörbiger mit schwarzer Brille, der von bösen polnischen
Buben gefoltert sein Augenlicht verloren hat und in einer anderen Szene, die nicht
auf der Filmanthologie Leisers ist, als deutscher Teiresias in einer Vision das
Reich vom Atlantik bis zum Ural wachsen sieht.