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Geschichte, Gestaltung und Formen des Dokumentarfilms

Vorlesung 9: WHY WE FIGHT; KNOW YOUR ENEMY: JAPAN, Leacock, PRIMARY

Leni Riefenstahl nannte ihre Dokumentar- respektive Propagandafilme in einem Interview mit den "Cahiers du Cinéma" "cinéma vérité"-Filme. Sie nahm damit einen neuen Begriff auf, der durch Jean Rouchs "cinéma direct" zu Beginn der Sechzigerjahre modisch geworden war. Der Begriff signalisierte die Rezeption des von Richard Leacock und seinen Freunden lancierten neuen Dokumentarfilmverständnisses, das filmgeschichtlich immer virulent vorhanden war, aber erst dank technischer lnnovationen und des Aufkommens des Fernsehens mit seinen aktualitätsbezogenen Beiträgen einen Durchbruch versprach: Die Forderung nach dem reinen Dokumentarfilm, der sich jeglicher Inszenierung oder Rekonstruktion entsagt.
"Cinéma vérité" will aber im Gegensatz zu Leacock nicht nur unmittelbar und direkt die Wahrheit der Realität aufzeigen, sondern zugleich auch Bewusstsein schaffen – durch die Anwesenheit der Kamera Bewusstsein bei den Betroffenen und Bewusstsein bei den Zuschauern, die über den Film in die vorgezeigte Wirklichkeit einsteigen. So stellt sich die Frage: Welches Bewusstsein schufen die Filme Leni Riefenstahls – ein nationalsozialistisches, antimilitaristisches, ein Bewusstsein gegen Krieg und Diktatur und Gewalt der Macht?

Wir stellten fest, durch den Film TRIUMPH DES WILLENS erst wurde der Reichstag zu Nürnberg 1934 zu jener visuellen und akustischen Manifestation nationalsozialistischer Selbstdarstellung, die in ihrer Körperornamentik, ihrer Wucht der Massen, ihrer Rituale von Schreien und Rufen und Marschmusik, in ihren nächtlichen Schauspielen, ihren endlosen Wiederholungen von Aufmärschen und Paraden zur Vision des Führers wurde – eine Vision, wie sie die Inszenierung der Wirklichkeit gar nicht hergeben konnte. Es brauchte die von der Erdenschwere abgehobene Sicht der Kamera, und es brauchte die Montage, die Ton und Bild zur je nachdem erhebenden oder erschreckenden beängstigenden Dokumentation von Gewalt und Macht einer Partei band und die Einheit von Partei, Volk, Deutschland und Hitler ornamental und monumental ausformulierte. Das filmische Material Riefenstahls finden wir in den Kompilationsfilmen wieder, finden es wieder in antifaschistischen Filmen der Zeit. Die dokumentarische Propaganda wird zur Dokumentation gegen die Propaganda.

Ich wende mich der berühmten dokumentarischen Propagandaserie WHY WE FIGHT des amerikanischen Kriegsministeriums zu. Frank Capra, 1897 geboren, hatte in den Dreissigerjahren politisch und sozial engagierte Melodramen und Komödien realisiert: IT HAPPENED ONE NIGHT, MR DEEDS GOES TO TOWN, MR SMITH GOES TO WASHINGTON oder YOU CAN’T TAKE IT WITH YOU. Und dieser Frank Capra wird zwischen 1942 und 1945 Leiter der vom amerikanischen Kriegsministerium ins Leben gerufenen Abteilung für "Orientierungsfilme" – wie die "Dokumentar-Propagandafilme" genannt wurden.
Die Filme der 7-teiligen Serie WHY WE FIGHT hatten sowohl im Sinne einer historischen Aufarbeitung der Geschehnisse als auch einer aktualitätsbezogenen Darstellung Orientierungshilfe zu leisten – in einer komprimierenden Verbindung von Information und Emotionalität.
Die Filme waren in erster Linie als ideologische Schulung der Soldaten gedacht, die in Amerika aus ihrem Privatleben gerissen, wenig Motivation hatten, in Europa und in Asien zu kämpfen. Frank Capra produzierte, überwachte sogar teilweise selbst die Filme, an denen Regisseure wie Anatole Litvak, Joris Ivens, William Wyler und George Stevens und andere mitarbeiteten.

Frank Capras Informations- und Propagandafilme setzten sich aus filmischen Dokumenten der eigenen, der alliierten und der feindlichen Kameraleute zusammen, wobei aufgrund der Montage die Grenzen zwischen eigenen Filmaufnahmen und Fremdmaterial fliessend werden. Aus Spielfilmen, Propaganda- und Dokumentarfilmen, aus Wochenschauen und Armeefilmen der Feinde erfolgt die Darstellung des Kriegsgegners. Ich zeige Ihnen Ausschnitte aus dem 1. Teil: PRELUDE TO WAR. Es ist eine Stunde in Geschichte, die den Soldaten aufzeigen soll, was dem Krieg vorausgegangen ist.
Auftakt bildet die Gegenwart. Die Gegenwart des Krieges, eines Krieges, der von Deutschland, Italien und Japan als aggressiver Expansionskrieg ausgelöst worden war und immer noch durchgeführt wird. Ton- und Bildkaskaden beschwören explosionsartig die Wucht des feindlichen Angriffes. Der Kommentar schleudert nur Namen hin. Sie assoziieren die täglichen Nachrichten – die Kriegsschauplätze. Die amerikanische Antwort lautet: Aufrüstung und Kriegsbereitschaft. Auf diesem Hintergrund erfolgt der Aufbau einer dialektischen Ideologie. Zwei Erdkugeln stehen einander gegenüber: eine weisse, welche die freiheitliche Welt, und eine schwarze, welche die versklavte, unterjochte Welt verkörpert. Die freie Welt und die andere Welt. Diese Dialektik wird Ende der Vierzigerjahre auf den einsetzenden kalten Krieg übertragen.

1 PRELUDE TO WAR I

Wenden wir uns der schwarzen Kugel zu, der versklavten unfreien Welt. Denn ihre Darstellung erfolgt mit den Bildern des Feindes, die zu Bildern gegen den Feind montiert werden. Die Montage ist hart, "poppig" würde man heute sagen, kantig aggressiv, visuell sloganartig  informativ. Signalbilder des Feindes werden zu Signalen gegen den Feind. Die Zeichen der Macht, der Gewalt und der Bedrohung sind klar ersichtlich und assoziativ auf alle drei Gegner anwendbar. Nazi-Deutschland, das faschistische Italien und das kaiserlich-militaristische Japan werden als eine politisch-gesellschaftliche, ideologische und staatliche, von einer einzigen Partei geprägte Einheit dargestellt. Allen Dreien ist das gleiche Weltbild eigen: das Weltbild der Unterjochung und Versklavung, das Weltbild kriegerisch-militaristischer Diktaturen.

In den Zwanzigerjahren sind ihre autoritären antidemokratischen Regimes entstanden, getragen von Volkstribunen wie Hitler und Mussolini und – als Erbe feudalistischer Vergangenheit – den Kaiser in Japan. Sie alle arbeiten mit den Massen, mit ihren Armeen, mit Scheinparlamenten ohne Opposition, mit Propaganda, Arbeitseinsatz, Geheimpolizei, Kulturverachtung. Sie ermorden die Opposition, unterdrücken die freie Meinungsäusserung, verfolgen und liquidieren, was nicht in ihr Weltbild passt.
Doch es sind nicht nur die Bilder des Feindes, die als Waffe gegen den Feind montiert werden, sondern eine akustische Palette interpretiert und verstärkt die visuellen Aussagen. Der Ton schafft Motorik, gibt akustische Energien frei. Der Kommentar jagt sich selbst atemlos. Es wird kompakt und emotional engagiert und eindringlich von Walter Huston, dem Vater von John Huston, gesprochen. Pausen sind bewusst gesetzt, so wenn deutsche Sätze – es gibt auch amerikanische Soldaten deutschsprachiger Abstammung  – in aller Deutlichkeit die Sprache des Gegners entlarven. Berühmt wurden die Filme auch wegen den zwischen den Dokumentarbildern eingefügten Animationsteilen.

Ein Ausschnitt aus der Geschichtsstunde:

2 PRELUDE TO WAR II (von Kaiser, Massen, bis "Kultur-Revolver")

Als eine in sich geschlossene Sequenz wird die Erziehung zum militaristisch abgerichteten Menschen dargestellt, der seine Individualität im Gleichschritt marschierender Massen verliert. In Deutschland, Italien und Japan werden die Kinder zu mechanischen Soldaten erzogen. Im folgenden Beispiel finden Sie Material aus einem deutschen Spielfilm und insbesondere aus der grossen Parade in Leni Riefenstahls TRIUMPH DES WILLENS. Auch hier bestimmt der Ton die Aussage der Bildmontage. Eine rituell sich wiederholende, gleichbleibende, in der Tönung verfremdende Marschmusik setzt ein – in Assoziation zu den konzertanten Marschkolonnen aus Riefenstahls TRIUMPH DES WILLENS.

3 PRELUDE TO WAR III (von Schulstube bis Hitlers Hand)

Ich breche hier ab. Bevor wir mit der Parade weiterfahren, zeige ich Ihnen das Riefenstahl'sche Original. Strahlende Marschmusik betont die rituelle Motorik der Kolonnen; der Jubel erregter begeisterter Massen schafft den akustischen Hintergrund.

4 TRIUMPH DES WILLENS

Es ist die gleiche Waffen-SS, die Charles Ridley in GERMANY CALLING – wir schauen den Film nach der Vorlesung – beschwingt tanzen liess, sodass sie um ihre Bedrohlichkeit gebracht wurde. In WHY WE FIGHT wird das gleiche Material wieder anders verarbeitet. Kurze Zwischenschnitte verändern die Parade zur Nachdenklichkeit hin.

5 PRELUDE TO WAR IV

Drei, vier Bilder ausgewechselt, der Jubel ausgeblendet, und wir sehen uns einen anderen Film an. Es gibt ein anderes Deutschland, das nicht jubelt, das betroffen ist, das Angst hat. Eine Arbeiterfrau statt weiss gekleideter Bürgerfrauen. Nachdenklichkeit. Ein alter Mann. Man erkennt in ihm den kommenden Emigranten, der Hilfe vom demokratischen freiheitlichen Amerika braucht, Hilfe von der weissen Kugel, von der freien Welt.

Die Produzenten hatten grosse Erwartungen in die Wirkung der Serie WHY WE FIGHT gesetzt. Das Kriegsministerium liess durch C. I. Hovland und seinen Mitarbeiterstab von Sozialpsychologen mithilfe wissenschaftlicher Tests eine umfassende Rezeptionsanalyse erstellen. Die Ergebnisse waren ermutigend. Wohl war es gelungen, das Wissen über die Konfliktursachen zu vermitteln, doch die Informationen hielten sich nicht lange im Gedächtnis der Zuschauer. Und trotz des emotional dichten Einsatzes filmischer Gestaltung zur Aktivierung entsprechender Gefühle liess sich die Erreichung der filmpropagandistischen Zielsetzung wissenschaftlich nicht nachweisen, dass nämlich die Bereitschaft der Soldaten zu Kriegsdienst erhöht worden wäre.

Ich gehe auf ein weiteres Beispiel ein und zwar aus der Serie KNOW YOUR ENEMY: JAPAN. Es handelt sich um die Darstellung des Pazifikkrieges. Dabei vermute ich, dass es sich um einen Teil der Restbestände handelt, die einst dem 4.5-stündigen Film von Joris Ivens angehört haben. Da Ivens mit der Endfassung des Films nicht einverstanden war, kämpfte er darum, nicht als Autor zu gelten. Der Film ist beim Schweizer Schul- und Volkskino in Bern unter dem Titel PAZIFIKKRIEG I im Verleih.

In WHY WE FIGHT ist zu den Bildern ein erregender, intensiver, sich jagender Ton aus Geräuschen, Musik, Originalstimmen und heftigem Kommentar montiert. PAZIFIKKRIEG I liegt in einer 16-mm-Stummfilm-Fassung vor. Diese Fassung ist in zweifacher Beziehung historisch:

  1. Sie stammt aus einer Zeit, da es auch in der Schweiz an 16-mm-Ton-Apparaturen fehlte. Um einen möglichst breiten Einsatz eines Films zu garantieren, brachte man noch in den Fünfzigerjahren Stummfilm-Fassungen von Tonfilmen auf den Markt.
  2. Die damaligen Kameraleute arbeiteten ohne Direktton. Der Sound war Studio-Arbeit. Die Stummfilmfassung ist somit auch authentisch im Sinne einer kamerabezogenen Bildmontage. Die tonlose Montage lässt das Handwerk des Kameramanns als Reporter deutlich werden. Noch 1960, als Leacock in seinem "Direct Cinema" die synchrone Authentizität des Tons propagierte, weigerten sich seine Mitarbeiter Pennebaker und Maysle, mit Tonkameras zu drehen.

Deutlich wird noch etwas anderes. Ohne den im Studio hinzufabrizierten Ton, der den Bildern Pathos verleiht, erscheint die dokumentarische, vom Kamera-Auge geprägte Sichtweise in ihrer unerträglichen Nacktheit. Am Ende des Films wird nicht die Frage eingelöst: Weshalb kämpfen wir?, sondern es stellt sich die Frage: Weshalb kämpfen wir noch? Wir, Amerikaner, weshalb kämpfen wir noch?
Der Film behandelt die Kämpfe um Neu-Guinea, denen die Vorbereitung der Landung in New Britain vorausgeht. In epischer Breite wird zunächst in harmlosen Kinobildern ein recht idyllisches Südsee-Paradies fotografisch beschrieben. Der Krieg ist in weiter Ferne.

Die erste Angriffswelle der Infanterie scheint kaum Verluste zu kennen. Doch allmählich, mit dem Eindringen in den Dschungel, setzt die Hölle ein. Unter dem Goya-Titel, was auf Joris Ivens verweisen dürfte: "Schrecken und Leiden des Krieges" wird in einem ungeheuren Bildrealismus das Elend des amerikanischen Soldaten im Dschungelkrieg vermittelt.
Eine Reporter-Kamera, inszenierungslos, "Direct Cinema", noch ohne Ton, erbarmungslos anwesend, beobachtend, aufzeichnend – hier findet die Vorbereitung eines neuen Dokumentarfilms statt, der in der Forderung nach Authentizität zu Beginn der Sechzigerjahre in die gepflegte Dokumentarfilmlandschaft einbrechen und den Betroffenen Stimme verleihen wird. In unserem Beispiel löst das authentische Bild von den Betroffenen die Propagandawirkung aus. Die Kamera zeichnet eine Wahrheit auf, da die Manipulation durch den Ton fehlt, nicht zu Propaganda-Zwecken gebraucht werden kann.
In Morast und Tropenregen versinkt die Schlacht. Die sich langsam schliessende Brücke des Transporters lässt die Leinwand schwarz werden. Hinter der Schwärze liegen die Verwundeten. Dann gleitet der Film in die Düsternis religiöser Betreuung – ein Pfarrer, ein Grab, noch ein Grab –, die Menschen vom Krieg gezeichnet.

Der Film ist eine Kriegsdokumentation über die Amerikaner irgendwo in einer Dschungellandschaft, ohne jegliche Heldengebärde, ohne Siegesblick in die Zukunft, wie wir ihn in den pathetischen deutschen, russischen, englischen und auch amerikanischen Propaganda-Dokumentarfilmen finden. Der dokumentarische Propagandafilm wird zum Antikriegsfilm. Norman Mailers "Die Nackten und die Toten" sind ohne Inszenierung, ohne Nachkonstruktion Wirklichkeit geworden. Nur am Ende wird der Bildrealismus von der Propaganda-Ideologie wieder eingeholt, wenn auf einem Zwischentitel zu lesen steht: "Je schwerer der Kampf, desto glorreicher der Sieg". Doch davon ist im Film nichts zu spüren.
Ich zeige die Endsequenz des Films:

6 PAZIFIKKRIEG (16mm; ab "Nachschub" oder ab "Schrecken und Leiden des Krieges")

1938 drehte Ivens in China seinen Film THE FOUR HUNDRED MILLION, der den Kampf des chinesischen Volkes gegen die japanischen Besetzungstruppen zum Thema hatte. Da spielte sich folgende Situation ab: Als Ivens eine lange Kolonne von schwer verwundeten chinesischen Soldaten filmen wollte, bat er seinen Dolmetscher, den Trägern und den Verwundeten deutlich zu sagen, dass sie nicht in die Kamera blicken sollten. Der Dolmetscher unterliess jedoch bewusst diese Übersetzung, weil, wie er später selbst erklärte, man Menschen, die so hart gekämpft haben und schwer verwundet vorbeigetragen werden, eine solche Anweisung nicht geben könne. Was Ivens wollte, war, dass der Zuschauer wie durch ein Fenster die Realität von verwundeten Soldaten sieht, letztlich unbetroffen, da er ja draussen, diesseits der Kamera bleibt. Verwundete Soldaten, die direkt in die Kamera schauen, schauen auch den Zuschauer an. Dann ist die Kamera ein Teil dokumentarisch aufgenommener Handlung. Im anderen Fall wird die Authentizität zur Inszenierung der Wirklichkeit erklärt. Das "Direct Cinema" wird diese Probleme nicht mehr kennen. Denn die Kamera gehört als solche zur Beziehung zwischen Kamera und Objekt der Kamera. Mit verborgener, versteckter Kamera zu drehen, ist an sich die Lösungsmöglichkeit, welche Inszenierungsanweisungen unnötig macht. Ivens hat das Verfahren selten angewandt. Ein Verfahren, das an sich äusserst fragwürdig ist, denn Menschen werden ausserhalb der sozialen Kontrolle aufgenommen, um sie bei der Vorführung des Films wieder einer sozialen Kontrolle auszusetzen.

Klaus Kreimeier führt in seinem Buch über Joris Ivens (Joris Ivens, ein Filmer an den Fronten der Weltrevolution, Berlin 1976, S. 26) die von Ivens propagierte und verwirklichte Filmform auf die politische Zielsetzung seines Dokumentarfilmschaffens zurück. Die Verschmelzung von "Authentizität und Fiktion, von unmittelbar widergespiegelter und synthetisch rekonstruierter Realität" sei für Ivens der Weg zu einer "klar umrissenen politischen Auffassung und zu Vermittlungsformen gewesen", die "den Blick für den politischen Zusammenhang der Dinge vertiefen" sollten.
Das bedeutet, dass Joris Ivens' Dokumentarfilmverständnis sich nicht in erster Linie von der Wirklichkeitserfahrung ableitet, sondern in der politischen Zielsetzung seiner Filmarbeiten begründet liegt. Dazu zitiere ich Klaus Kreimeier:

Mit den ästhetischen und dramaturgischen Mitteln des Semi-Dokumentarismus überwindet Ivens endgültig den "rohen" Materialismus seiner Anfangsjahre und verschafft sich die Möglichkeit, Tatbestände zu durchleuchten und zum Wesen einer Sache vorzudringen, die Realität im Sinne einer politischen Argumentation zu komprimieren und ihre Wirkungsgesetze erfahrbar zu machen. Szenische Rekonstruktionen und gestellte Handlungselemente dienen nicht per se der Verfälschung: sie können vielmehr der Argumentation förderlich sein und die agitatorischen Effekte, die der Wirklichkeit selbst innewohnen, herausarbeiten.
(Bueb S. 101, 102)

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Im Frühling 1936 weilte Joris Ivens auf Einladung der "Neuen Film Allianz", einer Schwesternorganisation der "Film- und Foto-Liga" in New York, wo er auch Vorlesungen an der Universität hielt. In New York wurden seine Filme begeistert aufgenommen. Die "Times" schrieb (vgl. Ivens S. 216): "Das Geheimnis der Ivens-Filme besteht darin, dass sie das machtvolle Material des Alltagslebens bieten. Er fotografiert die Menschen und die Dinge wie sie sind, ohne Flaumflocken oder Dekoration."
Ivens' Aufenthalt in New York löste jedoch bei der "Film- und Foto-Liga" eine Grundsatzkrise aus. Seine Gestaltungsmethode, dokumentarisch fassbare Ereignisse zu rekonstruieren und nachzuinszenieren, spaltete die Gruppe. Die Puristen, wie Samuel Brody, hielten an Wertows Vorstellung eines Dokumentarfilms fest, der einzig und allein von einem ungestellten Aufnahmematerial auszugehen habe und sich niemals auf irgendwelche fiktionale Elemente einlassen dürfe. Eine kleine Gruppe, zu der Leo Hurwitz gehörte, trat aus der "Film- und Foto-Liga" aus, um im Sinne von Joris Ivens am Dokumentarfilm zu arbeiten.

Die von Joris Ivens angewandte Nachinszenierung wird im amerikanischen Dokumentarfilmschaffen zur perfekten Kino-Inszenierung. Filme wie Leo Hurwitzs NATIVE LAND (1942) und STRANGE VICTORY (1948) und selbst das von Louis de Rochemont produzierte linksliberal engagierte, monatlich erscheinende Nachrichtenmagazin THE MARCH OF TIME (1935–1951) lassen nahtlos kinogene Inszenierung, die sich als authentische Wiedergabe wirklicher Ereignisse versteht, und dokumentarische Situation und Umweltbeobachtung ineinander verfliessen. In der Verbindung von Dokumentaraufnahmen und detailgetreuen filmogenen Fiktionsarrangements glaubte man die Möglichkeit gefunden zu haben, publikumswirksam agitatorische, sozial und politisch engagierte Informationen abzugeben.

Dass Orson Welles seinen Spielfilm CITIZEN KANE mit einer fiktiven, der MARCH OF TIME nachgebildeten "Wochenschau", mit einem inszenierten Nachrichtenmagazin zu entlarven, ist auf diesem Hintergrund nicht nur das Welles'sche Thema von Kunst und Täuschung, Illusion und Fälschung, sondern Dokumentierung eines real angewandten Dokumentarfilmverständnisses.
Im amerikanischen Dokumentarfilm der Dreissiger- und Vierzigerjahre bildet sich eine realistische Erzählstruktur heraus, die sich als dokumentarisch versteht und zugleich dem Kino geben will, was des Kinos ist. Fiktionaler Illusionismus und Realismus der Spielfilme und Nachinszenierungen und Nachkonstruktionen, die einen relevanten Dokumentaranspruch stellen, gleiten formal ineinander über und lassen sich nur noch in der genremässigen Zuordnung unterscheiden.

Die Zuordnung ist letztlich abhängig von der politischen Zielsetzung. Dies ist als Hintergrund wahrzunehmen, wenn wir im Folgenden auf die grundlegenden Veränderungen im amerikanischen Dokumentarfilm eingehen. Denn 1960 findet der Einbruch in das bisherige Dokumentarfilmverständnis statt. Bis anhin umfasste der Dokumentarfilm die verschiedenste Bereiche:

  • Er verstand sich als "cinéma pur", indem er in der Wirklichkeit aufgefundene Bilder zur filmischen Selbstdarstellung benutzte.
  • Er vertraute dem "Kamera-Auge" und montierte das vorgefundene Material zu einer filmischen Fiktion, die sich jedoch als eine zu propagandierende Authentizität der Wirklichkeit verstand (so Wertow).
  • Er baute sich aus der realen Fülle von Bild- und Tonstücken eine eigene Realität auf (so Flaherty).
  • Er bekannte sich zur Rekonstruktion von Ereignissen, um über Nachinszenierung auf die in den Ereignissen inneliegende Wahrheit vorzustossen (so Ivens).
  • Er stellte sich in den Dienst von Themen – so der Industriefilm als Produktenwerbung – stellte sich in den Dienst einer Ideologie und fand eine der Ideologie gemässe Filmästhetik (so Leni Riefenstahl).
  • Er verstand sich als Dokumentierung – von Nachrichtenfilmen und Wochenschauen bis zu themenzentrierten Bestandesaufnahmen – z. B. einer Reise, einer Stadt, einer Landschaft – einer geschichtlichen Situation. Hier ist auch der Kompilationsfilm einzuordnen. Und immer wieder rang er um eine filmische Authentizität, die der Authentizität der Wirklichkeit entsprach und sah sich immer wieder mit der Nähe zur Fiktion, zur Inszenierung konfrontiert, selbst wenn sie sich aus der Handhabung der Montage und ihrer Bild- und Tonselektion ergab.

1960 findet der Einbruch statt. Richard Leacock dreht mit Drew, Pennebaker und Maysles den Dokumentarfilm PRIMARY und formuliert als Methode des "Direct Cinema" den "unkontrollierten Film", und Jean Rouch realisiert mit Edgar Morin den soziologischen Dokumentarfilm CHRONIQUE D’UN ÉTÉ, der zum Markenartikel des "cinéma vérité" wird. "Direct Cinema", unkontrollierter Film, "cinéma vérité", "cinéma direct" sind die neuen Schlagworte, die eine grundlegende Veränderung in der Realisierung von Dokumentarfilmen signalisieren wollen, gleich wie die "Nouvelle Vague" zur gleichen Zeit die Produktionsbedingungen und den sich daraus ergebenden ästhetischen Code des Spielfilms zu ändern versuchte.

Ich gehe zunächst auf Richard Leacock und seinen Umkreis ein: Robert Drew, D. A. Pennebaker und Albert und Dave Maysles. Sie gelten als die Begründer des "unkontrollierten Dokumentarfilms". Jetzt geht es darum, Vorgänge zu beobachten, ohne einzugreifen. Jegliche Form von Inszenierung, von Rekonstruktion wird strikt abgelehnt, Interviews sind nur im Notfall zugelassen. Die Ereignisse würden sich in gleicher Weise abspielen, auch wenn keine Kamera anwesend wäre. Der Autor ist nur noch Beobachter, dessen Gegenwart auf ein Minimum beschränkt wird. Gefilmt wird vielfach mit der Kamera unter dem Arm, sodass die Aufnahme unbemerkt vonstatten geht. Voraussetzung ist eine technische Entwicklung: die Möglichkeit, Bild und Ton mit Hilfe leichter Apparaturen gleichzeitig aufzunehmen. Für den Dokumentarfilmer beginnt 1960 der Tonfilm.

In einem Interview mit Ulrich Gregor erzählt Richard Leacock, wie er Filmer, d. h. Dokumentarfilmer, wurde. Bezeichnend für Leacocks Werdegang ist sein technisches Engagement. Er erzählt, wie er schon mit 13 Jahren filmbesessen war, mit 14 seinen ersten Film CANARY BANANAS (1935) drehte, der eine grosse Bananenplantage ohne jegliche Menschen auf den kanarischen Inseln zum Thema hatte, wie er den Film Flaherty zeigte, der ihn dann später als Kameramann 1948 für LOUISIANA STORY verpflichtete. Leacock findet bezeichnenderweise die stummen Teile des Films LOUISIANA STORY grossartig, die Dialogpassagen jedoch "schauderhaft": "Denn wir verwendeten grosse schwere Schallplattenaufnahmegeräte, und die Technik war so schlecht, dass wir die Leute nicht davon abbringen konnten, sich verkrampft zu geben."
An der Schule machte er für seinen Geografielehrer Lehrfilme. Seinen Biologielehrer begleitete er als Fotograf auf die Galapagos-Inseln, wo er wiederum einen Film ohne Menschen drehte. Er studierte Physik, um mehr von den Apparaten zu verstehen, weil die Filmleute, besonders die Tonspezialisten, immer davon sprachen, was sich nicht realisieren liesse. Während des Krieges wurde Leacock Kriegsfotograf der Armee in Burma. 1955 drehte er, nachdem er als Kameramann und Cutter bei Flaherty, Van Dyke und Irving Jakob und bei Elia Kazan (BABY DOLL) gearbeitet hatte, seinen ersten eigenen Film TOBY für die Fernsehgesellschaft "Omnibus". Und wiederum ärgerte er sich, wie schon bei Flaherty, über die "gigantische Tonapparatur", mit der er die Tournee eines Zelttheaters durch den mittleren Westen zu begleiten hatte.
Und dann, drei Jahre später, 1958, schickt ihn die Fernsehgesellschaft "Omnibus" in ein Abenteuer filmtechnischer Art.

Eines Tages riefen mich die Leute von "Omnibus" wieder an. Es war der Tag, an dem "West Side Story" in New York Premiere hatte. Sie sagten: "Bernstein bricht morgen nachmittag nach Israel auf und geht dort mit dem 'Israeli Orchestra' auf Tournee; seine Frau geht auch mit. Können Sie mit ihm fahren?" Bernstein war ein alter Freund von mir, ich kannte ihn aus meiner Harvard-Zeit. So sagte ich ja. Sie rieten mir: "Nehmen Sie leichte Geräte mit, damit Sie beweglich sind." Ich nahm 16-mm-Tonfilmkameras, verdammte, klotzige Apparate. Ich hatte nie zuvor eine benutzt. Ich dachte, sie würden mich verrückt machen! […] Überall schleppten wir die Kameras mit uns herum. Nun sollte ich meine Reportage machen; aber wir verpassten und verpassten immer wieder die interessantesten Ereignisse. Bei den Orchesterproben passierten die wunderbarsten Sachen, und doch wusste ich, dass auf dem optischen Ton des 16-mm-Films alles schauderhaft klingen würde. Aber wir […] taten alles, was man nur tun kann, und brachten schliesslich einen recht ordentlichen Halbstundenfilm über diesen Besuch, über diese irre Reise durch Israel zustande. Aber ich schwor einen Eid: Es müsste doch schliesslich im Jahre 1957 möglich sein, Geräte zu entwickeln, mit denen man eine solche Reportage anständig aufnehmen könnte. Ich machte mir einen genauen Plan von dem, was wir brauchten. Ich brauchte eine generelle Lösung, nicht eine spezielle. Ich brauchte drei oder vier vollkommen geräuschlose Kameras, die überallhin mitzunehmen waren und keine Kabel hatten. Weiterhin ein oder zwei ebenso geräuschlose Tonbandgeräte, gleichfalls beweglich und ohne Verbindungskabel; und alle Apparate müssten völlig synchron laufen. Wie aber den Synchronismus ohne Kabel herstellen? Ich erinnere mich, dass Willard van Dyke eine von diesen elektronischen Uhren hatte, er sollte wohl einen Werbefilm für das Fernsehen darüber machen oder einen Film, der sie erklärte. Ich fragte ihn, was das für ein Ding sei, und er erzählte es mir. Und plötzlich kam mir die Idee, dass hier die Lösung meines Problems liegen könnte.

In der Folge wird trotz der Widerstände der massgebenden Leute mithilfe von Bob Drews, der einer der Herausgeber der Zeitschrift "Life" war, eine 35-mm-Kamera mit dazugehörendem Tonteil entwickelt, die den Bedürfnissen Leacocks entsprach. In Moskau hatte Leacock zum ersten Mal mit Pennebaker und den Maysles im Zusammenhang mit einem Bernstein-Konzert zusammengearbeitet. Nun drehen sie gemeinsam PRIMARY.
PRIMARY, ein Filmbericht über den Vorwahlkampf zwischen Humphrey und Kennedy in Wisconsin, brachte den Durchbruch des "unkontrollierten Films". Es spielte keine Rolle mehr, dass die Kamera verwackelt ist, dass die Perspektive verzerrt erscheint. Entscheidend ist, dass die Kamera möglichst dem Objekt zu verfolgen vermag und der Ton den Kamerastandpunkt einnimmt.
Leacock erzählt, wie die Arbeit an diesem Film ihm die Einsicht in ein neues Dokumentarfilmverständnis brachte und ihm eine neue filmische Wirklichkeitserfahrung eröffnete:

[W]ir machten PRIMARY. Zuerst ging ich mit Bob Drew zu Kennedy und fragte ihn, ob er mir erlauben würde, in seinen Privaträumen anwesend zu sein, wenn er die Wahlergebnisse erführe (das ist die dramatische Schlüsselszene). Denn wenn das nicht möglich war, wollten wir den Film nicht drehen. Zuerst hielt er das für eine verrückte Idee; dann fragte er mich: "Woher weiss ich, dass Sie nicht einen Narren aus mir machen?" Ich erklärte ihm, dass nur eine Person im Raum anwesend sein würde, dass alles sehr ruhig, ohne Stative zugehen würde, dass wir nur beobachten wollten. Ich sagte ihm, dass er mir einfach als Mensch glauben müsse. Er dachte einen Augenblick nach und sagte dann: "Okay." Wir gingen nach Wisconsin, um die Vorwahlen der demokratischen Partei zu filmen. Wir brauchten fünf Tage, um den Film zu drehen. Und zum ersten Mal fanden wir heraus, dass wir Kennedy ohne weiteres in ein Zimmer folgen konnten. Wir konnten in Autos, in Privaträume und in Büros filmen; es gab keinen Ort, den wir mit unseren Kameras nicht erreichen konnten; und wir bauten weder einen Scheinwerfer noch ein Stativ auf. Dann zogen die fünf Leute, die den Film gedreht hatten, in ein Hotelzimmer nach Minneapolis und schnitten den Film. Aber bei den Dreharbeiten hatten wir immer noch ein Kabel, das uns verband; es war noch nicht die Uhr. Erst nach PRIMARY brachten wir – Mitch Bogdanovich, Penny, ich und die übrigen – diese Uhr-Geschichte zum Funktionieren. [Sie sehen hier die Bedeutung der technischen Innovation.
PRIMARY war nach meiner Meinung der Durchbruch. Die Aufnahmen machten Pennebaker, Maysles und ich; ich glaube, Maysles und ich machten das meiste. Der Synchronton stammt zum grössten Teil von mir. Maysles drehte noch immer mit der Arriflex, er mochte die neue Kamera nicht. Und er sah nicht ein, weshalb der Ton wichtig sein sollte. Erst später, als er in Kuba war, entdeckte Maysles, was der synchrone Ton bedeuten konnte. Ebenso erging es Pennebaker. Er arbeitete zunächst noch hauptsächlich mit stummen Aufnahmen. [Vgl. die Kriegsreportagen von Maysles]
Als wir PRIMARY drehten, kannten wir Kennedy überhaupt nicht und dachten, dass Humphrey gewinnen würde. Wissen Sie, was uns allen Spass macht [sagt Leacock zu Ulrich Gregor)]?: Es ist der komische Moment, wenn wir nach dem Drehen wieder zusammenkommen. Das ist wie eine Versammlung von Einbrechern und ist wunderbar komisch. Pennebaker kommt herein, Maysles kommt, und ich komme; wir waren alle fort, um zu stehlen, und dann holen wir die Sachen aus den Taschen, wissen Sie, die kostbaren Ketten, Diamanten und zusammengestohlenen Stücke. Es ist eine tolle Szene, denn nun sehen wir zum ersten Mal, was wir haben. Dann müssen wir abwarten, ob es wirklich stimmt, ob die Stücke zueinander passen.

Leacock spielt auf die Synchronton-Feindlichkeit seiner Mitarbeiter auf Kuba an. Dort hat das Schlüsselerlebnis stattgefunden. Das Team hatte den Auftrag, an der Konferenz der lateinamerikanischen Staaten auf Kuba 1960 eine Reportage über das Verhältnis der USA zu Kuba zu drehen. Der Film erhielt den Titel YANKI NO. Da spielte sich folgendes ab – ich zitiere Leacock:
"Auf der Konferenz der lateinamerikanischen Staaten stand der Aussenminister von Venezuela plötzlich auf und verliess mit seiner Delegation aus Protest den Konferenzsaal. Alle anderen Filmreporter, die ihre Kameras sorgfältig auf Stativen aufgebaut hatten, konnten sich nicht vom Fleck rühren. Wir dagegen konnten hinter der Delegation hergehen und sie filmen, während sie das Haus verliess."

Das war die Geburtsstunde des "unkontrollierten Films", den Leacock folgendermassen umschreibt:

Wenn Eddie Sachs, der Rennfahrer, nicht deshalb zu weinen beginnt, weil wir ihn darum gebeten haben, das nenne ich "unkontrolliert". Wenn man in einem Theater oder in einem Filmstudio Aufnahmen macht, kann man sich den Zeitpunkt aussuchen, an dem man mit einer Kamera dorthin gehen will. Nichts wird geschehen, ohne dass man es selber veranlasst. Man baut seine Kamera auf und sagt: "Stell dich vor die Kamera, tu dies, tu jenes." Das ist kontrollierter Film. Das aber, worauf wir aus sind, geschieht, ob wir nun dabei sind oder nicht, das ist etwas anderes.

Und: Um diesen "unkontrollierten Film" realisieren zu können, braucht es leichte bewegliche Kameras und Tonbandgeräte, die synchron ohne Verbindungskabel arbeiten. Lichtstarke Objektive und hochempfindliche Filme sollen die Scheinwerfer überflüssig machen. Zwei Leute drehen einen Film, wie ein Schriftsteller ein Buch schreibt. Ihre Wirklichkeit verdanken die neuen Dokumentarfilme jedoch dem Ton.

Wir schauen uns zwei Ausschnitte aus PRIMARY an: Humphrey und Kennedy sind in der Nässe und Kälte und im Regen unterwegs. Humphrey fährt durch eine trostlose Landschaft – eine Landschaft der Dörfer und kleinen Städtchen mit ihren lokalen Wahlkampf-Kommittees. Aus kurz geschnittenen Passagen entwickelt sich eine längere, auf Beobachtung aufgebaute Sequenz: Humphrey hält auf dem Lande draussen bei den Farmern eine Rede. Er gibt sich als einer der Ihrigen. Die Kamera kontrolliert den kritischen Blick der Zuhörer. Ungewissheit entsteht, ob die Rede, ob Humphrey ankommt.

7 PRIMARY I (Rede Humphreys)

Während Humphrey seine Wähler auf dem Lande bei den Farmern sucht, setzt Kennedy seinen Charme mehr im städtischen Raum ein: Der Schlachtgesang, den wir uns bei Kennedy zu Gemüte führen, ist beiden Kandidaten eigen. Als Familienveranstaltung liesse sich das Ganze umschreiben: eine Familienveranstaltung als politisches Ritual, eingeschlossen die Sympathie-Parade als szenischer Abgang. Eine Frau, die Kennedy mit dem Auge zuzwinkert, nimmt die Kamera schon lange vorher auf, im Hinblick darauf, dass etwas Unerwartetes geschehen könnte. Oder war es die Kamera, welche die Dame zu einer koketten Handlung veranlasste oder war es doch Regie-Anweisung?

8 PRIMARY, II

Filmografie

WHY WE FIGHT (USA 1942-1945):
Serie von sieben Filmen: PRELUDE TO WAR (1942), THE NAZI'S STRIKE (1942), DIVIDE AND CONQUER (1943), THE BATTLE OF BRITAIN (1943), THE BATTLE OF RUSSIA (1943), THE BATTLE OF CHINA (1944), WAR COMES TO AMERICA (1945). P: Frank Capra für The War Department, Special Service Division, in Zusammenarbeit mit The Signal Corps, B: Frank Capra, Tony Veiller, Eric Knight, James Hilton, Alan Rivkin, Leonard Spegelglass u. a., R: Frank Capra, John Huston, William Wyler, Carl Foreman, George Stevens, Anatole Litvak, Robert J. Flaherty u. a., M: Dmitri Tiomkin, Alfred Newman u. a., Trick: Walt Disney Studios.

KNOW YOUR ENEMY: JAPAN (USA 1944) Aus der Serie KNOW YOUR ENEMY, die wie die Serie KNOW YOUR ALLY von der Capra-Gruppe realisiert wurde. Die Vorspannangaben erwähnten nie Namen der beteiligten Personen. Mitarbeit: u. a. Joris Ivens, Helen van Dongen.

PRIMARY (USA 1960) P: Robert Drew für Time-Life Broadcast und Drew Associates, Filmemacher: James Lipscomb, K: William Ray, Abbot Mills, Richard Leacock, D. A. Pennebaker, Claude Fournier.

Weiterführende Informationen

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Teaser text