Geschichte, Gestaltung und Formen des Dokumentarfilms
Vorlesung 4: Robert J. Flaherty, MOANA; MAN OF ARAN
Der Film NANOOK OF THE NORTH von Robert Flaherty wird – besonders auch in Amerika – zu einem unerwarteten Erfolg, obwohl er ausserhalb der Filmindustrie von einer Pelzfirma aus Frankreich – Revillon Frères – gesponsert worden war. Der Erfolg eines Dokumentarfilms liess die Industrie aufhorchen, und Jesse Lasky von der Famous Players-Lasky Corporation nahm den nächsten Film von Flaherty in sein Produktionsprogramm, gab Flaherty volle Freiheit, Zeit und Geld. Flaherty sollte auf der Insel Samoa einen dokumentarischen "Nanook der Südsee" drehen, der von Paramount weltweit in den Verleih genommen würde.
Drei Jahre – von 1923 bis 1925 – bleiben Robert Flaherty und seine Familie auf Samoa. Das Ergebnis ist ein weicher, poetischer, schöner Film, der jedoch keinen Erfolg brachte: MOANA, am 7. Februar 1926 in New York uraufgeführt. Robert Flaherty schildert in seinem Buch "Samoa", das 1932 in Berlin erschienen war und übrigens weitgehend von seiner Frau Frances Hubbard geschrieben wurde, seine Enttäuschung, in der Südsee nicht vorzufinden, was er für sein Thema erwartet hatte: Nämlich den dokumentarischen Stoff für einen Film über den Daseinskampf der Menschen. Die dokumentarische Authentizität liess sich nicht für eine Fiktion gebrauchen, von der Flaherty übrigens annahm, dass sie den Bedürfnissen eines weissen Publikums entspräche. Zudem will Flaherty wiederum über Bilder der Gegenwart eine authentische Vergangenheit dokumentarisch beschwören:
Die Südsee war unser Reiseziel, die zauberhafte Schönheit der Südsee; dort das Leben der Polynesier zu filmen, wie sie gelebt hatten, bevor der weisse Mann mit seinem anderen Gott, seinen anderen Sitten und Gebräuchen, seinem Luxus und seinen modernen Bequemlichkeiten auf ihre Insel kam, das war es, was wir uns vorgenommen hatten. […] Wir wollten das Drama des samoanischen Lebens, wie keiner vor uns, darstellen, soweit wie möglich unberührt von den Kaufleuten, Missionen und der Regierung. |
Ziel war: Ein Ur-Samoa zu beschwören, ein Samoa voller Gefahren, voller Dramen, inmitten wilder Wogen des Pazifik. Und dazu brauchte es einen Helden, der den Antipol zur Natur bilden würde. Robert Flaherty schreibt weiter:
Von Anfang unseres Aufenthaltes in Safune an war unser grösster Wunsch, die Hauptidee, den Charakter des Films festzulegen. Wir wollten einen Mann wie damals Nanuk finden, wir suchten einen Charakterkopf wie Nanuk. Wir suchten und suchten ohne Unterlass. Sie waren alle zu weichlich, sogar die alten Männer. Sie waren sanft und geschickt, aber geschickt ohne Kraft. Alle Häuptlinge sahen aus, als hätten sie noch niemals etwas getan als gesessen und Matten geflochten und Schnüre aus Kokosnussfaser, die zum Hausbau verbraucht werden, ihr ganzes Leben lang. Ich erinnere mich an einen besonders schönen Tag, als wir auf dem Sand der Lagune sassen und uns noch einmal alles durch den Kopf gehen liessen. Wir hatten das alles schon hundertmal vorher besprochen. Wir wussten, dass unsere weissen Landsleute diesem Filmmaterial keinen Geschmack abgewinnen könnten. Die Samoaner waren weder interessant noch anziehend für sie. […] Hier lag das Hindernis. Im Norden ist das Leben ein ewiger Daseinskampf. Nicht nur das, es ist auch für uns verständlicher, weil es unserem eigenen Leben näherkommt. In der Südsee gibt es keinen Daseinskampf. Die Beschaffung von Nahrung ist so nebensächlich wie das Spiel. Die ganze Umgebung ist so vollkommen, wie sie nur sein kann. Es ist für die Leute nie notwendig gewesen, irgendwie ein geistiges Leben zu entwickeln; Erfindungsgabe, die Sehnsucht nach der Veränderung, der Wille zum Fortschritt fehlen. […] Wenn wir dies alles in Betracht zogen, überkam uns wilde Verzweiflung. Wir konnten keinen Film machen mit Heldentaten, die die Leute nicht wirklich vollbrachten. Fa’a-Samoa war etwas Psychologisches. Es äusserte sich in Zeremonien, bestimmten Formen und endlosen Tänzen. Wie um Himmels Willen sollte man davon einen Film machen? Das einzige, was wir tun konnten, war, das Beste herauszuholen, was überhaupt herauszuholen war, und so bald wie möglich nach Hause zu fahren. |
1924, mitten in seinem Samoa-Aufenthalt, schreibt Flaherty für das Jahrbuch des Films (Film Daily Year Book of Motion Picture, New York) einen Artikel unter dem Titel "Filmen in der Südsee". Es ist die Wandlung vom Reisenden, der die Dinge nur von aussen anschaut, zum beobachtenden Ethnologen, der sich in die ihm fremde Welt einnistet.
Die ersten paar Wochen in Samoa erfüllten mich mit Abscheu. Die lähmende Hitze liess keine Gefühle für den Zauber und den Geist des Landes aufkommen; in den Eingeborenen konnte ich nichts sehen als Auswurf der Menschheit. Die Aussichten für einen Film sahen sehr trübe aus. Diese Reaktionen waren jedoch einfach die eines oberflächlichen Reisenden, der sich in der Nähe der beiden Häfen Pago Pago oder Apia herumtreibt. Erst als ich die Siedlungen der Weissen verliess und meine Zelte in dieser faszinierenden Gegend aufschlug, heimischer wurde und die Samoaner persönlich kennenlernte, als ich unter ihnen lebte und sie in meinem Haus hatte, mit ihnen Exkursionen unternahm, erwachte mein Interesse, ja meine Begeisterung. |
Flaherty
wird ein teilnehmender Beobachter, errichtet ein Filmlaboratorium, das zum
Treffpunkt des Dorfes, besonders der Kinder wird, entwickelt in einer Höhle
täglich die abgedrehten Filmstreifen, zeigt sie den Beteiligten, führt ihnen
auch NANOOK OF THE NORTH vor, den sie
überhaupt nicht verstehen, veranstaltet Filmabende, die zu Festen werden.
In der Milde der Südsee liess Flaherty seinen Ehrgeiz, Lebensdrama und
Daseinskampf zu filmen, fallen und beschloss, einen schönen Film zu drehen, was
ihm noch genügend Schwierigkeiten einbrachte, angefangen vom Filmmaterial – der
orthochromatische Film musste, da er eine völlige Verzerrung der Farben im
Schwarzweiss brachte, durch einen panchromatischen Film ersetzt werden – über
Konflikte mit einem stets betrunkenen deutschen Kolonialisten bis hin zur
kolonialen Struktur des damaligen Samoa.
Sensationen gab es kaum mehr zu filmen. Hinter dem Korallenriff war das Meer
friedlich, und ausserhalb des Riffs hielt sich bei Sturm niemand auf. Das
Gefährlichste, was sich finden liess, war eine Wildsau. Mit Müh und Not gelang
es Flaherty, das schmerzhafte Tätowierungszeremoniell Moanas zu filmen, das er
unter dem Zwischentitel "Die tiefste Weisheit des Volkes sagt, dass Mannestum
durch Schmerzen errungen werde" zu einer genauen, von Nah- und Grossaufnahmen
geprägten Beobachtung montierte. Das war auch das einzige Heldenhafte und
Männliche, das sich finden liess. Es war wie "Hollywood auf Samoa".
Jeden Tag schien die Sonne heller und heller, und das Felsenriff spiegelte sich im Glanz der Sonne. Die Luft war warm am Tag und kühl in der Nacht, und der bleiche Mond schüttete weisse Strahlen durch die schimmernden Palmen. Hier lebten wir unter tropischer Sonne, Mond, Palmen, alles, wie man uns erzählt hatte; das Grammophon spielte, der Koch kochte, das elektrische Licht leuchtete. Amerikanische Romantik. |
So
heisst denn auch der Untertitel des Films "A Romance of Golden Age". Auch wenn
er nicht vorfand, was er als dokumentarische Begründung für seine Ideologie
vorzufinden hoffte, schreibt er im Vorspann von einem Volk, das den Geist und
Adel einer grossen Rasse bewahrt habe. Was er jedoch visuell zu montieren
vermochte, war das Collagebild, der Topos einer familiären Gemeinschaft. Das
Bild entsprach zwar nicht der ethnologisch fassbaren matriarchalischen,
vorgefundenen Familienstruktur, in der die Kinder alles und Paare wie Vögel
sind, die sich in der Brunstzeit paaren, anders, als wie er sie filmte.
Wir schauen uns die Eröffnungssequenz des Films an.
Typisch für die Erzähldramaturgie ist der ellipsenartige Bau. Wie in Kreisen
zieht Flaherty den Zuschauer in ein Thema, in eine Szene, in eine bestimmte
Situation hinein, um ihn nach sechs bis zehn Minuten für die nächste Sequenz zu
entlassen. Die Kamera setzt, mit Blick gegen den Himmel in die schimmernde Helle
der Luft, bei Luftwurzeln an, senkt sich in den Dschungel. Inmitten einer
dekorativen Blätterornamentik arbeitet die Familie: Fa’angase, die
höchste Jungfrau, die Mutter Tu’ungaita, welche Maulbeerpflanzen
sammelt, Pe’a, der kleine Sohn und dessen älterer Bruder Moana,
der den Taro-Wurzeln nachgeht. In einer Blätterlandschaft findet jeder seine
Aufgabe, glücklich im Reichtum einer Natur, in der der Mensch nur zu sammeln
braucht in nicht entfremdeter Arbeit: Das Paradies. Die Sequenz klingt aus mit
der Heimkehr ins Dorf Safun. Die Kamera schwenkt wieder hinauf zu den
Luftwurzeln – alles weich gerundet, im dekorativen Vegetationsparadies.
1 MOANA I (Anfangssequenz, 6 Minuten)
Wir
werden uns im Laufe der heutigen Vorlesung mit der visuellen Dramaturgie von
Flahertys Film MAN OF ARAN
beschäftigen. Im Sinne eines Einstiegs zeige ich Ihnen zunächst eine Sequenz
aus MOANA. Die erzählerische
Beziehung der Bilder zueinander lebt aus der Montage von abgegebenen, aber auch
von zurückgehaltenen, ausgesparten Informationen. Bei Flaherty entsteht die
Story aus einer visuellen Spannung, die in Ausklammerungen, Auslassungen und Kadragen besteht, welche die realen Grössenverhältnisse aufheben. Das Auge des
Zuschauers hat die Geschichte zu ergänzen, zu erweitern. Flaherty liefert in
folgerichtiger Abfolge die uns notwendigen Informationen, die es dem Zuschauer
erlauben, in eine visuelle Story einzusteigen.
Pe’a klettert auf einen langen, schlanken Baum, um Kokosnüsse zu pflücken. Wie
könnte, würde man dies filmen? – Eine Weitaufnahme, in der man die
schwindelerregende Höhe des Baumes sieht, die Perspektive nach Oben, die Linie,
die sich nach oben zieht, der Blick nach unten in die Tiefe, der Knabe als
Punkt. Eine klare dokumentarische Information.
Bei Flaherty rudern Moana und Pe’a an einen Strand. Moana spitzt sich einen
Stecken. Wofür ist unklar. Der Junge bastelt sich eine Steigmontur aus Lianen
und steigt in den Baum ein. Die Höhe des Baumes wird nie gezeigt. Er klettert, mit einem Teleobjektiv aufgenommen, durch das Bild und klettert aus dem Bild, dann Schnitt,
die Kamera fährt nach, sodass der Baum noch länger wird, und wieder klettert
Pe’a fast aus dem Bild, die Kamera zieht nach und die Kokosnusskrone rückt ins
Bild. Das visuelle Ziel, das optisch ausgeklammert war, wird erreicht und die
Kamera zeigt die Arbeit des Knaben: Die gepflückten Kokosnüsse lässt er
hinunterfallen. Jetzt wird ersichtlich, weshalb Moana einen Stecken spitzte: Er
dient zum Aufspiessen, zum Aufbrechen und Schälen der Kokosnüsse. Anschliessend
folgt der Abstieg, und wiederum ersteht die Länge des Baumes, der das Bild
zerschneidet, ohne jegliche perspektivische Aufsicht.
Und wiederum – wie beim vorhin gezeigten Beispiel – rundet sich die Sequenz wie
in einem Kreis. Der Knabe kehrt heim mit seinen Kokosnüssen. Friedlich,
gemächlich, zeitlos fliesst der Film dahin, die Spannung allein aus der
Visualität beziehend.
2 MOANA II [Sequenz beginnt im oberen Clip bei TC 20:00 und dauert ca. 5 Minuten]
Flaherty dokumentiert Moana mit zwei verschiedenen Medien. Er filmt und er schreibt. Wenn man seinen Film mit seinen Texten vergleicht, fällt immer auf, wie er ringt, dem Film eine Aussage abzugewinnen, die nicht in den Bildern enthalten ist. Er schreibt von Kampf und Gefahr. Beides findet sich nicht im Film. Im Text beschreibt er eine Spezialstruktur, die im Film kaum sichtbar wird. Film und Text spiegeln verschiedene Sichtweisen, verschiedene Erfahrungs- und Verarbeitungsebenen. Der Text legt Flahertys Widersprüche bloss, der Film ist ein einlullendes poetisches Gedicht.
Das
alte polynesische Leben verschwindet, verschwindet so schnell, dass man sich
beeilen muss, es noch zu erhaschen. Wir waren gerade noch zur rechten Zeit
gekommen. Der wahre Samoaner kennt den Begriff des Privateigentums nicht; er
kennt kein Streben nach Gewinn. Er kennt keine Wünsche, noch hat er Angst vor
Armut. Wenn sein Haus niederbrennt, ist da immer noch seines Nachbarn Haus.
Wenn er keine Fische fängt, wird sein Nachbar vielleicht welche gefangen haben.
Wenn die Wildente seinen Taro gefressen hat, verlässt er sich auf den Taro
seines Nachbarn. Ein kleines Wunder ist seine ausserordentliche Begabung für
Gesang und Tanz, seine Neigung zur Liebelei und seine Liebe für Blumen. Wo er
auch geht, es ist "Malie, malie!" – "Schön ,schön!" Er freut sich über diese
Blume und jene Blume, die Berge, die Wolken, die Farbe der See. Warum soll er
da lernen, Gott zu lieben und seinen Nächsten mehr als sich selbst? |
Schauen wir uns einen Ausschnitt aus einem Shiva an. Es ist der Brautwerbetanz. Die Kamera ist auf Moana ausgerichtet, die Frau tanzt vom Blickfeld ausgeschlossen. Ihre Arme tauchen im Bild auf, ihr Körper, ihre Füsse, wobei die Aufnahme ihres Tanzes, an einem anderen Ort stattgefunden hat: Aus der Montage zweier verschiedener Aufnahmen entsteht ein Paar. Die Harmonie der Bewegungen lässt sie – trotz Bildtrennung – zu einem Tanz verschmelzen, bis schliesslich Flaherty Mann und Frau ins Bild fasst.
3 MOANA III [Sequenz beginnt im oberen Clip bei TC 12:00 und dauert ca. 3 Minuten]
MOANA wurde ein Misserfolg. Nach verschiedenen gescheiterten Projekten – so über die Pueblo-Indianer von Neu-Mexiko – und missglückter Zusammenarbeit, zunächst mit Van Dyck und dann mit Murnau, der 1929 auf Tahiti TABU drehte, zu dem Flaherty die Story lieferte, wird Flaherty 1931 von John Grierson, dem grossen Anreger des englischen Dokumentarfilms, nach England geholt, um für die "Empire Marketing Board Film Unit" einen Dokumentarfilm über die britische Industrie zu drehen. Der Aufenthalt in London bildet jedoch die Voraussetzung zu einem ganz anderen Film. 1932 begibt sich Flaherty mit seiner Frau Frances und seinem Sohn David im Auftrag der Gainsborough Picture auf die Insel Inishmore, die zu den Aran-Inseln im Nordwesten Irlands gehört. Wiederum bleibt die Familie zwei Jahre auf der Insel (1932–1934). Am 25. April 1934 wird MAN OF ARAN in London uraufgeführt.
Sieben
Jahre nach MOANA fand Flaherty
jene Landschaft, die ihm in ihrer Wildheit und Gefährlichkeit seiner
ideologischen Fiktion zusagte: Und auf der Insel Inishmore fand er auch seine
Helden, allen voran Colman "Tiger" King als Man of Aran und Maggie
Dirrane als die Frau mit dem Madonnengesicht und den kleinen Mikeleen,
der vor nichts Angst hat. Auf Aran fand Flaherty endlich sein Drama. Sein Drama
vom Kampf des Menschen mit der Natur endet jedoch in einer romantischen Idealisierung.
Wohl dokumentiert er, wie Menschen unter erschwerten Bedingungen auf diesen
Inseln nordwestlich von Irland leben müssen, wie dem steinigen Kalkgrund ein
kleines Stück fruchtbares Ackerland mit Seetang und mühsamer Gewinnung von
Humus abgerungen wird, unter welchen ungeheuren Gefahren der Fischfang sich
abspielt. Doch zugleich dienen ihm die vorgefundene Natur und die Lebensweise
dieser Menschen, um die Exotik der Männer und Frauen am Ende der Welt zu
romantisieren.
Die Romantisierung, verbunden mit einer pathetischen Darstellung, bewirkt eine
Idealisierung, die sich kritischer Analyse zu entziehen versucht. Mann und Frau
und Kind leben und kämpfen gemeinsam auf dieser Insel. Es ist das Idealbild
einer Familie, einer in sich geschlossenen, auf sich selbst bezogenen
Kleinfamilie – gleichsam Spiegelung von Flahertys eigener Familie. Dazu ein
Filmausschnitt.
Draussen auf dem Meer kehren die Fischer von ihrer Arbeit zurück. Die Mutter nimmt ihr Kopftuch, nicht ohne pathetische Geste, und begibt sich auf den Weg. Der Sohn kommt hinzu und gemeinsam ziehen Mutter und Knabe angesichts des schäumenden, brandenden, weiss brodelnden Meeres dem Vater entgegen. Das Boot wird eingebracht. Doch in dem Moment, da die Heimkehr erfolgen sollte, meldet sich die See mit ihrer Urgewalt noch einmal an, als gäbe es kein Ausruhen, denn der Wellengang – der Aufbruch der Flut – schwemmt das Netz weg ... Vater, Mutter, Knabe kämpfen mit dem Urelement und vermögen ihm den kostbaren Besitz wieder zu entreissen. Gemeinsam tragen sie das nasstriefende schwere Netz hinweg, hinauf zum Plateau. Dabei zieht die Kamera ganz nahe mit, die Köpfe sind eng cadriert, als würde die Kamera mittragen, als würden wir Zuschauer ebenfalls unter der Last des schweren nassen Netzes mitziehen.
Bezeichnend für den Aufbau einer in sich geschlossenen dokumentarischen Sequenz ist, dass Flaherty zunächst in Weit und Totalen einsetzt, also zunächst einmal die Menschen klein ein nichtig in der Natur zeigt, sie scheinen geradezu in den Klippen, auf dem steinigen Hintergrund, am Strand, draussen auf dem Meere zu verschwinden – Punkte nur, Menschen umgeben von Wind und See, vom Getöse des Meeres. Und dann, wenn die eigentliche Handlung der Sequenz einsetzt, geht die Kamera hin und konzentriert sich auf die Arbeit, auf das manuelle und körperliche Geschehen und am Ende der Sequenz werden die Menschen wieder in die Totalen, in die Weitaufnahmen entlassen – gleichsam dekorative Zeichen in wilder Landschaft. Schöne wilde Naturmenschen in wilder, gewaltiger Natur.
4 MAN OF ARAN
Was wir vorfinden, sind authentische Bilder eines Kampfes von Menschen mit den wilden Elementen des Meeres. Wie Steine tauchen die Menschen wieder aus der weissen Gischt der Flut auf. Nicht nur die Bilder sind authentisch, auch die Gefahr ist authentisch. Das Meer droht mit jedem Kameraschwenk die davonspringenden Menschen einzuholen und gleich dem Netz aufs Meer hinauszusaugen. Der Mann hält die Frau krallend an den Haaren.
Authentische Bilder über Rettung eines Netzes aus den Gewalten des Meeres, dokumentarisches Material – und dennoch sehen wir uns mit einer Fiktion konfrontiert. Denn das authentische Material erzählt uns eine Geschichte, und über die Geschichte wird uns eine Aussage vermittelt, die nicht nur heisst: Ein Netz wird gerettet und nach Hause getragen. Sondern: Menschen kämpfen um ihre Habe und daraus wächst das Bild einer Familie, welche den Elementen der Natur trotz.
Ein Grundmuster wird ersichtlich, das es zu hinterfragen gilt: Dokumentarisch aufbereitetes Material wird über die handwerkliche Verarbeitung zur Darstellung eines Inhalts. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern die Verarbeitung filmischer Authentizität dazu dient, die vorgefundene Wirklichkeit zu dokumentieren oder es erlaubt, eine Fiktion aufzubauen, die einer ideologischen Botschaft verpflichtet ist.
Ein Dokumentarfilm über das harte Leben der Menschen auf Aran in den Jahren 1932–1934: Als das gibt sich Flahertys Film aus. Eine Insel ohne Licht. Für die Tranlampen wird das Öl aus der Leber der Riesenhaie gewonnen. Der Fischfang erfolgt immer noch, als wäre die Zeit stehen geblieben, mit der Handharpune. Der getroffene Riesenhai zieht das Boot zwei Tage lang ins offene Meer hinaus, bis der Kampf endet und der Hai mühsam an Land gebracht wird.
Doch die archaische Szene, die die grandiose Endsequenz des Films einleitet – die Haifischjagd mit der Harpune –, ist die Nachinszenierung eines Fischfangs, der seit fünfzig Jahren auf diese Weise nicht mehr stattgefunden hat. Die Dokumentation einer ethnologischen Vergangenheit wird für Flahertys Dokumentarfilm authentisch nachinszeniert. Dass die Nachinszenierung so fugenlos funktioniert, hat zwei Voraussetzungen: 1. Flaherty nimmt in seinem Film keine gegenwärtigen Informationen gesellschaftlicher, politischer, kultureller oder wirtschaftlicher Art auf. Die Filmlandschaft von Aran ist zeitlos. Auch in Nanook und Moana ist die Zeitgebundenheit ausgeklammert. 2. Indem die Fischer den Haifang von einst nachstellen, verschafft sich Flaherty authentisches Material. Der Prozess bei der Filmarbeit vollzieht sich im Sinne einer teilnehmenden Beobachtung. Aber der Umgang mit dem Material entspricht über Schnitt und Montage fiktionaler Inszenierung. Dabei ist der Vorgang ein sich ergänzender.
1. Flaherty versteht seine Kameraarbeit als eine offene Montage an Ort und Stelle. Er lässt sich nicht einfach von einer vorgefundenen Wirklichkeit überraschen, sondern er folgt mit der Kamera Einstellung um Einstellung dem Geschehen – teilweise einem inszenierten Geschehen – und bringt dabei ein immenses Material aus vielen Blickpunkten und Standorten bei, sodass die beobachtete Aktion dank der Fülle an Bildmaterial wieder in Teilstücke zerlegt werden kann. Damit schafft Flaherty die Voraussetzung, um
2. am Schneidetisch über die Montage von Bild und Ton aus der Fülle des Materials den Eindruck einer flüssigen filmischen Erzählung entstehen zu lassen. Mithilfe assoziativer Anschlusseinstellungen, dialogischer Gegenschnitte zwischen Menschen und Naturaufnahmen, mit Hilfe eines aus dem Material heraus entwickelten Filmrhythmus entstehen in sich abgerundete Sequenzen. In NANOOK OF THE NORTH besteht das Montagemuster noch auf Grund der Situation des Beobachters, in der plakativen Art, Bild an Bild zu reihen.
In MAN OF ARAN ist über den Filmausschnitt die Montage so fliessend widerstandslos geworden, dass der Zuschauer die als dokumentarisch vermittelte Handlung wie einen Spielfilm erlebt. Entscheidend ist, dass nicht das Geschehen vor der Kamera – also z. B. das Arrangement der Figuren im Raum – den Erzählcharakter auslöst, sondern das Arrangement der Bilder zueinander.
Daraus wird ersichtlich: Die Fiktion findet ihre Voraussetzung in der Handhabung des filmischen Handwerks. In einem ersten Arbeitsprozess weist sich das filmische Handwerk während der Dreharbeiten bei der Selektion der Standorte und bei der Kadrage – in der subjektiven Sichtweise der angegangenen authentischen Wirklichkeit – aus. In der Weiterführung des filmischen Handwerks erarbeitet Flaherty am Montagetisch eine folgerichtige Erzählung. Dieser zweite Arbeitsprozess erlaubt die eigentliche fiktionale Determinierung: Die Dokumentation über Menschen und Landschaft von Aran rastet in die Vermittlung einer Botschaft ein. Auf dem Hintergrund eines poetisch-romantischen Naturverständnisses wird der Kampf des Menschen mit der Natur monumentalisiert.
Flaherty geht es darum, sein Thema darzustellen und nicht ein Thema, das sich aus seiner teilnehmenden Beobachtung heraus ergibt.
In den letzten Jahren fand eine Entmystifizierung der Mystifikation Flahertys als Vater des Dokumentarfilms statt. 1978 führte George Stoney am Kongress des ethnologischen Films in Canberra einen Dokumentarfilm mit dem bezeichnenden Titel MAN OF ARAN: HOW THE MYTH WAS MADE vor. Er zeigte die autoritäre Weise Flahertys im Umgang mit seinen Darstellern auf. Flaherty scheute sich nicht, seine Mitarbeiter existentiell zu gefährden, wenn er sich eine Dramatisierung der Authentizität versprach. In der Übertragung auf meine Thematisierung heisst dies: Bereitstellung filmischer Materialien, um am Schneidetisch die fiktionale Spannung zu erhöhen. Und anlässlich des Festivals "Cinéma du réel" legte der kanadische Dokumentarfilmer J. D. Lajoux 1979 in Paris seine Forschungsergebnisse vor. Er zeigte auf, dass Flaherty Bilder band, die nicht zusammengehörten, dass er Darstellungs- und Montagetricks einsetzte, um Spannung zu erzielen. Flaherty wollte im Grunde ebenso kinogemäss erzählen wie Griffith zu seiner Zeit.
Aus der Sicht eines dokumentarischen Puristen, der an die Manipulationsfreiheit und Fiktionslosigkeit des Dokumentarfilms glaubt, musste sich die Kritik an Flaherty entzünden. In den Aufsätzen und Büchern von Flahertys Frau war aber stets nachzulesen, was erst die wissenschaftliche Nacharbeit ergeben hatte. Frances Hubbard Flaherty, die ihren Mann zusammen mit ihrem Sohn David begleitete, schrieb – wie übrigens auch andere Mitarbeiter – über die Arbeit Flahertys. Was heute eine kritische Sichtung ergibt, war für sie selbstverständlich. Dazu ein kleiner Textausschnitt aus dem Aufsatz "Wie der Film MAN OF ARAN entstand", der 1953 in Film News erschienen war:
Vielleicht vereinfache ich Bobs Einstellung zum Filmschaffen zu sehr, wenn ich sage, dass er mit seiner Kamera ganz einfach loszog und drehte, drehte und nochmals drehte. Dabei erkundete er jeden Winkel, jede günstige Stelle, jede Örtlichkeit, jedes Licht, vergrub sich in seinen Stoff, soweit ihn seine Fantasie treiben konnte, und fotografierte ausgiebig alles damit zusammenhängende, was das Auge der Kamera auch nur sehen konnte. Immer wieder beschwert man sich: "Es dauert zu lange bei ihm, er verbraucht zu viel Film." Ja, er sparte weder mit Zeit noch mit Film, und er schonte weder sich noch andere. Er machte seine Filme allein. Es waren die Filme eines einzigen Mannes, von ihrer ersten Konzipierung bis zum letzten Schnitt, einschliesslich der Bearbeitung des Films, die er immer selbst in einem stets von ihm mitgeführten Laboratorium vornahm. Aber er bediente sich auch aller anderen um sich herum. Sie waren keine Fachleute, denn Fachleute hatten ihre eigene Art, an die Dinge heranzugehen und konnten sich seiner Art nicht anpassen, genauso wenig wie er sich selbst der ihrigen. Er brauchte Helfer, die er auf seinen Kurs bringen konnte, junge Menschen, vor allem Eingeborene, die Darsteller, mit denen er seinen Film drehte. Unsere Schauspieler auf Aran arbeiteten mit uns zusammen. "Gesegnet sei das Werk", pflegten sie zu sagen. Sie lebten mit uns wie in einer Familie, treu dienten sie uns und dem Film. |
"Treu dienten sie uns und dem Film." Dem Film dienen hiess jedoch auch, Bilder beizubringen, die zwar der teilnehmenden Beobachtung Flahertys entstammten, jedoch geeignet waren, sein Thema zu realisieren. So das Thema von Daseins- und Überlebenskampf des Menschen. Versuchen wir, über ein Beispiel dem Arbeitsprozess nachzugehen, der die authentischen Filmbilder zur Fiktion mit ideologischer Aussage gestaltet.
Zu den intensivsten Sequenzen gehört die Sturmszene am Ende des Films. Grundlage bildet eine einfache Handlung. Ein Boot mit drei Männern kehrt von der Riesenhaijagd zurück. Doch inzwischen ist ein Sturm aufgezogen und hat die Männer auf der See überrascht. Mutter und Sohn brechen in Erwartung der Fischer auf und beobachten die Rückkehr des Bootes. Die Rettung gelingt und die Familie kehrt heim. Flahertys erzählerische Montagestruktur dramatisiert das Geschehen auf der Basis eines sich wiederholenden und zugleich sich beschleunigenden Schnittmusters.
1. Die Menschen und die wilden Naturelemente werden in dialogischer Spannung gegeneinander aufmontiert.
2. Das Meer wird entweder in seiner stürmischen Weite als Totale gezeigt, so dass das Boot buchstäblich im Bilde unterzugehen droht
oder
die Wellen werden so kadriert, dass ihre Grösse, weil die Relationen zur Umgebung fehlen, nicht mehr ausgemacht werden kann. Die Welle deckt als brodelnde, im Lichte weiss leuchtende Wassermasse die Leinwand zu. Auf der Leinwand entsteht ein "Cinéma-pur"-Bild, das in seiner filmischen Qualität sich selbst genügt.
3. Bezeichnend ist, dass Flaherty die Nah- und Grossaufnahme der Wellen- und Wassermassen vielfach in einen Schwenk integriert und zugleich auf die Totale des Meeres schneidet. Dadurch erwächst der Eindruck, dass die an das Riff schlagenden winddurchpeitschten Wassertürme identisch mit den Nah- und Grossaufnahmen der Wassermassen sind. Die Schnittstelle liegt genau in der strukturlosen Weissfläche, so dass der Übergang von nah auf Totale widerstandslos sich abspielt.
4. In gleicher Weise werden auch die Menschen in eine dialektische Spannung zur Landschaft gebracht. Entweder gehen sie auf den Steinplateaus, auf den Klippen, in den Riffen oder draussen auf dem Meer auf und erscheinen nur noch als Punkt, als Strich, als Silhouette, als ein sich bewegendes graphisches Zeichen inmitten der Naturgewalt, umschlossen von aufgewühlten Meeresorkanen oder verloren inmitten einer winddurchfurchten Steinwüste.
Oder sie erscheinen in Nah- und Grossaufnahmen, zu Figuren und Gesichtern gemeisselt, vielfach von unten aufgenommen, gegen das Weisse des Himmels gestellt, als Beherrschernaturen. Aus der dialektischen Montage von Mensch und Landschaft einerseits und Mensch in der Landschaft als Totale und Mensch in nah und gross über die Landschaft dominierend andererseits, löst sich am Ende der Sequenz die Spannung. Die wiedervereinte Familie begibt sich in der Weitaufnahme unter einem immensen Himmel über die Steinwüste hinweg – neuen Abenteuern entgegen. Diese Montagestruktur geht, wie übrigens auch in anderen Szenen des Films, in der Forderung nach in sich gerundeten Sequenzen auf.
Wie bewusst Flaherty vorging, um das für ihn notwendige authentische Filmmaterial beizubringen, das sich für eine fiktionale Dramatisierung eignet, lässt sich ebenfalls anhand der Schlusssequenz aufzeigen. Frances Hubbard Flaherty erzählt in ihrem bereits zitierten Aufsatz "Wie der Film Männer von Aran entstand" (erschienen in Film News 3/1953), wie "Bob" für die Rückkehr der Fischer einen Drehplatz suchte. Dabei zitiert sie mit Vorliebe Pat Maullen, von dem 1935 ein Buch über die Dreharbeiten erschienen war. Ich zitiere Frances Flaherty:
"Immer wieder sah er in der Ferne einen Punkt (man beachte die Formulierung "in der Ferne einen Punkt"), den er sich als neuen Standort für seine Kamera ausmalte. Und nichts konnte ihn abhalten, dorthin zu gehen ... Er war von jener Landschaft erfüllt, die ihm befahl: 'Sage nichts, sondern tu es, auch wenn es Dich Dein Leben kostet.'"
Diese Obsession zwang Flaherty, der Authentizität eine Spannungsdramaturgie abzugewinnen. Frances Flaherty erzählt, wie sie den ganzen Tag gefilmt hätten, um den richtigen Standort für die Rückkehrszene zu testen, wobei das Material gleich entwickelt und visioniert wurde:
Abends im Vorführraum […] sahen wir stets alles noch einmal auf der Leinwand und – verloren die Lust. Pat beschrieb es folgendermassen: "Obwohl alles gut ablief, empfand ich es als nicht halb so packend wie in dem Augenblick, als ich es während der Arbeit vom Boot aus gesehen hatte. Ich weiss nicht, wie Mr. Flaherty es empfand, aber ich war jedenfalls vollkommen entmutigt. Obwohl wir es auch auf den anderen Inseln versuchten (es gibt dort drei), haben wir nichts fertigbekommen, was der Mühe wert gewesen wäre – etwas, das jene undefinierbare dramatische Qualität besitzt, die für die Schaffung eines guten Films so notwendig zu sein scheint, jenen letzten Schliff, durch den sich ein Meisterwerk von einer guten Arbeit unterscheidet. […] An jenem Abend rief er mich in das grosse Zimmer. Ich ging hinein und setzte mich. Wie gewöhnlich trank er seinen schwarzen Kaffee. Fragend sah er mich an. Ich sagte: 'Ja, ich weiss, wir müssen nach Bungowla und zu Big Patcheen Conneely!'" |
Und
so entschlossen sich Robert Flaherty und Pat Mullen, an der gefährlichsten
Stelle von Inishmore die Szene zu drehen, dort, "wo die Wogen des
Atlantik ... ungehindert und ungebrochen auf das Land zurollen ... Am Fuss der
Klippen befindet sich ein Felsvorsprung, der bis dicht unter die Oberfläche
ragt. Durch diesen Felsvorsprung werden die gegen die Klippen schlagenden
Wellen in Form von grossen Mauern aus Wasser, Gischt und Schaum bin hinauf zu
den Spitzen der Klippen getragen und als treibende Schleier aus Sprühregen über
sie hinweggeschleudert. Es ist eine der imposantesten Seelandschaften der
Welt."
Hier dreht Flaherty mit "Big Patcheen Conneely", dem besten Bootsman,n die
Szene. Keiner der Männer konnte schwimmen, nur rudern und das Boot in einer
stürmischen See beherrschen. Ich zitiere: "Die Inselbewohner von Aran
betrachten das Meer als Ungeheuer. Für sie hat es schicksalshafte Bedeutung. Sie
lernen nicht schwimmen. Sie retten keinen der Ihrigen vor dem Ertrinken, denn
sie glauben, das Meer werde auch sie fordern, wenn sie das tun."
Und dieses Ungeheuer wollte Flaherty in seiner visuell und akustisch dramatischen Schönheit filmen, aber nicht nur das Ungeheuer, sondern wie die Menschen mit dem Ungeheuer fertig werden, respektiv einst fertig wurden, als sie noch mit der Harpune in der Hand die Riesenhaie jagten – eine Erzählung aus der Vergangenheit. Pat Mullen gelang es, die Männer von Bungowla davon zu überzeugen, dass sie an dieser Stelle hinaus ins Meer sollten, indem er – ich zitiere: "ihre Rasse und ihre Generation rühmte. […] Hier auf dem Felsenriff fanden wir den Standort, den wir für unsere Kamera brauchten – der uns bis dahin irgendwie gefehlt hatte – den richtigen Standort, von dem wir das Geschehene beobachten konnten, um so jene 'undefinierbare dramatische Qualität', jenen 'letzten Schliff' zu bekommen."
Die
"undefinierbare dramatische Qualität" betrifft das filmische Handwerk, lässt
sich aber letztlich durch die Aussage des Films definieren. Leben ist Kampf, und
den gilt es zu bewältigen. Kampf ist zugleich ein filmisches Grundelement
sowohl inhaltlicher als auch formaler Art. Ob "Gunfight" oder die Treppe von
Odessa, ob der kleine Charlot und der dicke Mann, wir bewegen uns im
innovativen Fantasieraum der Montage. Je nach Bezug und Verstrickung der Bilder
wandelt sich die Aussage. Flaherty montiert die authentischen Bilder im
Schneideraum zum dialektischen Aufprall, der in der ideologischen Auflösung der
Spannung den siegreichen Überlebenskampf des Menschen postuliert. Die durch die
Arbeitsweise gewonnene Fiktion legt schliesslich eine Idee frei, die unbelastet
von irgendwelchen kulturellen und soziopolitischen Informationen eine
romantisch-heldische, in der filmischen Haltung eine poetische Vision
verkündet.
Nun schauen wir uns den zweiten Teil der Endsequenz an – sie dauert 11 Minuten.
Filmografie
MAN OF ARAN (USA 1932/34) R: Robert J. Flaherty, Mitarbeit: John Goldman, Frances H. Flaherty, Pat Mullen, P: Gainsborough Pictures (Gaumont-British Picture Corporation), Ton: H. Hand, Musik: John Greenwood, Mitwirkende: Colman "Tiger" King, Maggie Dirrane, Michael Dillane, Pat Mullen, Patch Ruadh, Patcheen Flaherty.
MOANA (USA 1923/25) R/B/K: Robert J. Flaherty, Frances H. Flaherty, P: Famous Players-Lasky (Paramount Pictures), Titel: Robert J. Flaherty, Julian Johnson, Mitwirkende: Ta'avale, Fa'angase, Tu'ungaita.