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Seminar für Filmwissenschaft

Filmfarbe 1895–1930. Ästhetik, Materialität, Diskurse der Moderne

Jelena Rakin, Magistra Artium
Referent: Prof. Dr. Jörg Schweinitz

In der Zeitperiode von 1895 bis 1930 entstanden zahlreiche Farbfilmverfahren, sodass sich sagen lässt, dass der Film seit seinen Anfängen ein farbiges Medium war. In dieser Epoche decken sich die vielfältigen Manifestationen des farbigen Filmbildes zudem zeitlich mit den paradigmatischen Umbrüchen, welche die Farbe als materielle und ästhetische Kategorie erlebte.

Das Projekt untersucht unter theoretischen, intermedialen und diskursanalytischen Gesichtspunkten die spezifische Ästhetik des farbigen Stummfilms. Das Aufkommen industriell produzierter Farben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte zu einer Konjunktur von farbigen Konsumartikeln wie kolorierten Fotografien und Druckbildern. Zeitgleich erschienen auch die eingefärbten Filme. Waren farbige Bilder und Gegenstände vor der Entdeckung der Teerfarben Luxusprodukte und den oberen gesellschaftlichen Schichten vorbehalten, so wurden sie um die Jahrhundertwende auch breiteren Massen zugänglich. Der Zusammenhang zwischen Film und anderen Farbprodukten erschliesst sich nicht zuletzt durch die gemeinsame Materialgrundlage, mithin sind die applizierten Filmfarben (wie Hand- und Schablonenkolorierung oder Virage) bereits in ihrer Materialität, aber auch in Hinsicht auf die Praktiken ihres Einsatzes, an einer Schnittstelle zwischen Kunstbild und Warenästhetik zu denken.

Das Projekt hat zum Ziel, die Ästhetik der applizierten Stummfilmfarbe unter verschiedenen Gesichtpunkten der Bildpraktiken und Diskurse der Moderne zu untersuchen. So werden die visuellen Eigenschaften der Filmfarbe im Kontext anderer farbiger Bildmedien der Epoche untersucht; es wird nach dem Zusammenhang zwischen der ästhetischen Wertschätzung der Farbe und der Materialität von industriell produzierten Farbstoffen gefragt; und die populären und akademischen historischen Diskurse über Farbe werden in ihrer Tragweite für die (normativen) Auffasungen vom Verhältnis der Farbe zum bewegten Bild ausgewertet.

Das Dissertationsprojekt stellt nicht nur die erste umfassende Studie im deutschsprachigen Raum dar, sondern ist eine der wenigen Untersuchungen überhaupt, die diesen Bereich der visuellen Kultur der Moderne in den Blick nimmt. Es geht zudem über eine rein historisch-technische Aufarbeitung des Gegenstands hinaus und erschliesst ein breites Diskursfeld der ästhetischen Debatten der Moderne. Damit wird ein bedeutsames, wenn auch vernachlässigtes Phänomen der Filmgeschichte aufgearbeitet. Des Weiteren liegt die Bedeutung des Projekts in seiner Interdisziplinarität: Die Studie weist mit ihren spezifischen Fragestellungen und Hypothesen Schnittstellen zur kunsthistorischen, bildwissenschaftlichen und kulturanthropologischen Forschung auf. Und nicht zuletzt schliesst das Projekt mit der Frage nach der Stummfilmfarbe und der ‚visuellen Erinnerung’ an aktuelle Kulturdebatten über das audiovisuelle Erbe an.

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