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Seminar für Filmwissenschaft

Zur Theorie und Geschichte des Filmischen Realismus. Ein Modus des Ostentativen

Guido Kirsten, Dr.
Stipendiat im NCCR Mediality: Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen. Historische Perspektiven

Referentin: Margrit Tröhler

«There is probably no critical term with a more unruly and confusing lineage than that of realism,» heißt es bei John Hill. Tatsächlich ist oft nicht klar, wovon die Rede ist, wenn die Sprache auf «filmischen Realismus» kommt. Nicht nur lässt sich der Bezug von Film und Realität auf ganz unterschiedlichen Ebenen diskutieren und anhand unterschiedlicher Theoreme konzeptualisieren (indexikalitätstheoretisch, ästhetisch, wahrnehmungspsychologisch etc.). Auch bezüglich des engeren Bereichs des ‚sozial-realistischen Spielfilms’ herrscht durchaus keine Einigkeit, wodurch sich dessen ‚Realismus’ im Kern auszeichnet.
Das Projekt nähert sich diesem Problems aus einer semio-pragmatischen Perspektive. Es geht davon aus, dass es sich beim «Filmischen Realismus» um ein spezifisches Subregime des Spielfilms handelt, das einen eigenen Lektüremodus erfordert. Zwar gibt es formal betrachtet gewisse ästhetische Konstanten in der historischen Entwicklung (vom Poetischen Realismus über den Neorealismus bis hin zu den vielfältigen Beispielen im zeitgenössischen Kino), jedoch lässt sich auf der stilistisch-narrativen Ebene keine gemeinsame Grundformel ausmachen, die den Realismus definiert. «Realismus» wird vielmehr durch einen spezifischen Lektüremodus erst konstituiert, für dessen Angemessenheit der Film lediglich Signale setzt, die wiederum historisch kontingent, aber nicht völlig arbiträr sind.
Dabei kommen auf zwei Ebenen Momente der Ostentation ins Spiel. So können erstens dem Film als Medium aufgrund seiner spezifischen Ausdrucksmaterie besondere Ostentationspotenziale zugesprochen werden: Der Film vermittelt nicht nur Sachverhalte, er stellt sie bildlich und akustisch vor, macht sie präsent. Sein medialer Realismus basiert auf einer großen phänomenalen Unmittelbarkeit. Im engeren «sozial-realistischen» Regime wird dieses Potenzial aufgerufen und mit einer zweiten, subtileren Ebene der Ostentation verrechnet: jenen narrativen und stilistischen Konventionen, die den jeweiligen Film als einen als realistisch zu rezipierenden markieren.