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Seminar für Filmwissenschaft

38. Solothurner Filmtage (20.–26.01.2003)

Film, Kultur und Gedächtnis

Cinémémoire – Das Projekt einer Oral history des Schweizer Films

Filme gehören zum Gedächtnis einer Kultur. Was die Schweiz ist, was sie einmal war und was sie wurde, darüber kann man sich anhand der Werke des Neuen Schweizer Films oder anhand der Filme aus den Fünfzigerjahren mindestes ebenso kundig machen wie aufgrund von historischen Studien oder indem man sich an die bildende Kunst der Zeit hält. Filme haben aber auch ihr eigenes Gedächntis: Ihre Geschichte, ihre Herkunft, ihre Entstehung. Vieles von dem, was man über Filme aus der Schweiz wissen kann, ist bislang nicht aufgezeichnet worden. Es existiert als erlebtes, persönliches Wissen derer, die die Filme gemacht haben. Anders als in Filmländern wie Frankreich oder den USA, wo umfangreiche Firmenarchive Materialien zur Enstehungsgeschichte von Filmen bereithalten, ist die Enstehungsgeschichte des Films in der Schweiz nur lückenhaft dokumentiert. Zeitzeugen kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
Weil Film seine Funktion als kulturelles Gedächtnis erst dann wirklich erfüllen kann, wenn man seine Geschichte kennt, soll das gelebte Wissen über den Schweizer Film nun aufgezeichnet und zugänglich gemacht werden. Ausgehend von einer Initiative des Verbandes Filmregie und Drehbuch Schweiz und inhaltlich betreut von den Seminarien für Filmwissenschaft der Universitäten Zürich und Lausanne verfolgt das Projekt «Cinémémoire – Oral history des Schweizer Films» das Ziel, mit einer Reihe von Interviews mit prägenden Persönlichkeiten des Filmschaffens in der Schweiz ein Archiv mit Informationen zur Produktionsgeschichte von Schweizer Filmen anzulegen.

Moderation: Yvonne Zimmermann und Maria Tortajada, Filmwissenschaftlerinnen, Universitäten Zürich und Lausanne
Donnerstag, 23.01.2003
16:00–17:20 Haus am Land

Kameraarbeit und Digitalisierung

Debatte zum Für und Wider der digitalen Bildästhetik, anlässlich der Retrospektive Pio Corradi

Die digitale Revolution erfasst das Kino. Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde der digitale Ton eingeführt, nun erfasst der Umbruch auch die Kameraarbeit, und auch die Umstellung auf die digitale Projektion ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Der fotochemische 35mm-Film, das älteste und dauerhafteste Medien-Format der Welt, steht vor dem Abschied und dem Eintritt ins Technik-Museum. Hollywood hat seine ersten Filme mit digitalem Material bereits gedreht und in die Kinos gebracht, aber auch in kleineren Filmproduktionen, wie sie in der Schweiz üblich sind, macht sich der Trend bemerkbar.
Was aber bedeutet die digitale Revolution für die Ästhetik der Filme? Was bedeutet sie für die Produktion und was fürs Seherlebnis der ZuschauerInnen? Welches sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von analoger und digitaler Aufnahme? Wo sind die heutigen Limitierungen des technischen Equipments spürbar und wo können sie durch geeignete Methoden überwunden werden? Ist das digitale Bild kalt, flau und unbelebt? Oder ist es brillant, klar und zeitlos? Bedingt das digitale Medium andere Formen des Erzählens? Welche Möglichkeiten bietet die digitale Farb-/Lichtbestimmung?
Diese und weitere Fragen zur Ästhetik des Kinos im digitalen Zeitalter sollen im Rahmen des Podiums diskutiert werden. Im Dialog zwischen Praktikern und VertreterInnen der Theorie soll nicht zuletzt skizziert werden, wie das digitale Kino der Zukunft idealerweise aussehen könnte und wie es dereinst die Gesetze des Mediums Film verändern wird.

Moderation: Barbara Flückiger, Filmwissenschaftlerin, Universität Basel
Freitag, 24.01.2003
16:00–17:20 Haus am Land

Gibt es noch Geschichten, die das Land zusammenhalten?

Eine aktuelle Ortsbegehung des Röschtigrabens in Film, Literatur und Kunst

Im Filmschaffen driften Deutsch- und Westschweiz, so scheint es, immer weiter auseinander – inhaltlich, stilistisch, politisch. In der Sechziger- und Siebzigerjahren verbanden gemeinsame Themen und Geschichten die künstlerische Produktion beider Landesteile. So gab es etwa eine gemeinsame Kultur des ethnografischen Blicks im Kino, ähnlich wie man in der Literatur einen landesweiten «Diskurs der Enge» kannte, und die Deutsch- und Westschweizer schauten sich die Filme aus dem jeweils anderen Landesteil durchaus noch an.
In den letzten Jahren hingegen nahmen die Gemeinsamkeiten der Filme und der Publikumsneigungen stetig ab. In der Deutschschweiz feiern Kabarett-Komödien mit Viktor Giacobbo und anderen TV-Komikern vergleichsweise rauschende Kassenerfolge, während das Westschweizer Publikum den gleichen Filmen die kalte Schulter zeigt. Die Filme aus der Westschweiz wiederum werden paradoxerweise fast nur noch in der Deutschschweiz wahrgenommen, und es gereicht ihnen dabei zum Vorteil, wenn sie sich ausländisch geben, wie zum Beispiel Azzurro, den man für einen italienischen Film hätte halten können.
Haben wir es mit einem Phänomen der Desintegration des Landes zu tun? Oder deutet der Verlust gemeinsamer Themen nicht vielmehr auf eine Normalisierung, eine Integration der Schweiz in einen neuen, weiteren europäischen Kulturhorizont? Und wie steht es um den Landeszusammenhalt in Literatur und Kunst? Ausgehend von Fragen wie «Gibt es noch gemeinsame Geschichten? Und brauchen wir sie?» soll das Podium eine Ortsbegehung des mentalen Konfliktfeldes Röschtigraben in der Ära nach den grossen gemeinsamen Themen leisten.

Moderation: Vinzenz Hediger, Filmwissenschaftler, Universität Zürich
Samstag, 25.01.2003
16:00–17:20 Haus am Land