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Clara Bow, das It-Girl, das als Flapper die Jazz-Ära verkörperte,
sagte von sich: "Ich bin eine Kuriosität in Hollywood. Ich bin ein grosser
Freak, weil ich ich selbst bin."
Die Veröffentlichung der Liste ihrer Liebhaber 1930 durch Graphic lässt sie in den
Augen einer puritanischen Öffentlichkeit zur Hure Babylons
werden, was sie trotz eines erneuten filmischen Erfolges so sehr trifft, dass
sie sich psychisch nicht mehr erholt und aus dem Bewusstsein Hollywoods
verschwindet.
Im gleichen Jahr, 1930, akzeptiert Hollywood den Hays Code und damit die Regulierung durch Selbstzensur, um die staatliche Zensur zu verhindern. Zugleich hoffte die
Filmindustrie die erneute Empörungswelle, die stets die Gefahr von Boykotten
einschloss, zu besänftigen.
Damit sind wir am Ende der Zwanzigerjahre wieder dort angelangt, wo sie
begonnen hatten. Mit allen Mitteln galt es ein Lebensgefühl zu beenden, das man
zu Beginn der Zwanzigerjahre als lebensbejahende wilde Nachkriegszeit zu
verhindern trachtete.
Auf der einen Seite sollte die Prohibition für ein alkoholfreies sauberes Amerika einstehen, was die Entwicklung des Gangstertums ermöglichte. Andererseits stand das Jazz-Zeitalter mit den neuen Mitteln der Mobilität und Kommunikation für ein urbanes Lebensgefühl, das das puritanische Erbe einer Einwanderergesellschaft aufzulösen begann. In diesem Spannungsfeld glaubte man in den Filmen, in den Unterhaltungs- und Traumbildern der Massen, das Gefährliche, Böse, Teuflische gefunden zu haben, das die Jugend, die Zukunft Amerikas, in den Abgrund führt. In dem Zusammenhang kamen die Hollywood-Skandale sehr gelegen. Sie boten als Ausdruck verbotener Sexualität und Drogen der Fantasie reichlich Stoff, zugleich erlaubten sie, die Filme unter Kontrolle zu bringen, wobei nicht so sehr die Filme getroffen werden sollten als vielmehr Hollywood selbst, das als Produktionsstätte der Filme, ein Experimentierfeld neuer gesellschaftlicher Lebensformen geworden war.
In den Fünfzigerjahren wird sich der Versuch, Hollywood zu vernichten,
wiederholen. Nur ist es nicht mehr Hollywood als Sodom und Gomorrha, sondern
Hollywood als Brutstätte des Kommunismus.
Blenden wir zurück zu Beginn der Zwanzigerjahre: 1920 wird Olive Thomas, Selzicks zwanzigjähriger
Spitzenstar zur Darstellung der „idealen amerikanischen jungen Frau“, im
Hotel Crillon in Paris tot aufgefunden: Selbstmord, nachdem sie es nicht
geschafft hatte, für ihren Ehemann Jack
Pickford in der Pariser Unterwelt Heroin zu beschaffen.
Am 5. September 1921 vergewaltigt der gemütliche, 266 Pfund schwere Rasco "Fatty" Arbuckle das Starlette Virgina Rappe bei einer der damals
üblichen Partys: Fatty, der
Liebling der Kinder, als Mädchenschänder. Fatty
wird freigesprochen, aber darf nicht mehr spielen.
Am 1. Februar 1922
wird William Desmond Taylor, der
Chefregisseur der Famous Players
Lasky, einer Tochtergesellschaft der Paramount, getötet. Die Untersuchung fördert Pornofilme, Promiskuität und
Drogen (Kokain) und eine Unterwäschesammlung an den Tag usw.
Schon 1920 hatte Kardinal Mundelein
von Chicago ein Pamphlet gegen Hollywood geschrieben: "Die Gefahren
Hollywoods: Eine Warnung an alle jungen Mädchen".
Und jetzt 1922 gerät
die Filmindustrie in Panik, dass es zu Kollektivboykotts, angestachelt von den
Frauenvereinen, den Kirchenorganisationen und der Komitees zur Bekämpfung des Lasters
kommen könnte.
Im Sinne einer Image-Verbesserung
wird im März 1922 die "Motion Picture Producers and Distributors of America"
(MPPDA) gegründet mit der Zielsetzung, über eine Selbstregulierung die Kritik
abzubauen und staatliche Interventionen
im Sinne einer Staatszensur zu verhindern.
Präsident wurde der ehemalige Postminister im kurzlebigen Kabinett des
republikanischen Präsidenten Harding
Will H. Hays, der als konservatives
Mitglied kirchlicher, politischer und gesellschaftlicher Organisationen
genügend der Saubermann war, um die Akzeptanz der verschiedenen Komitees im
Kampf gegen das Laster finden zu dürfen.
Anlässlich einer Pressekonferenz inmitten von Zukor, Loew, Laemmle, Fox,
Goldwin und Selzick gab er eine Grundsatzerklärung ab:
"Die Möglichkeiten
des Films zur moralischen Erziehung und Beeinflussung sind grenzenlos. Deshalb
muss seine Integrität geschützt werden, wie wir die Integrität unserer Kinder
und unserer Schulen schützen, und seine Qualität muss verbessert werden, wie
wir die Qualität unserer Schulen verbessern ... Über allem steht unsere Verantwortung
für die Jugend. Wir haben vor jenem heiligen Ding, der Seele eines Kindes, vor jenem reinen und
unbefleckten Ding, jener jungfräulichen Schiefertafel, die gleiche Pflicht, die
gleiche Verantwortung für das, was auf sie geschrieben wird, wie sie der beste
Lehrer, der beste Pfarrer, die grössten Erzieher der Jugend haben."
Was sich in der Folge abspielt, ist bezeichnend.
Einerseits geht es um die saubere Leinwand, die sich aber erst 1934 mit Hilfe
der katholischen Kirche durchsetzten lässt. Andererseits werden Moralklauseln
in die Verträge eingebaut, was zu einer privaten geheimdienstlichen Überwachung
Hollywoods führt. Daraus entsteht ein „Schicksals“-Buch von 117
Hollywood-Namen, deren Träger wegen ihres Privatlebens ein „Sicherheitsrisiko“
darstellen.
Ich habe es schon angedeutet: In den Fünfzigerjahren wird wieder eine Liste entstehen
und zum Prozess gegen die Zehn von Hollywood führen. McCarthy bläst in der
Zeit des kalten Krieges zur Kommunistenjagd. Damals emigrierte Charlie Chaplin
in die Schweiz. Zum Glück war er reich, sonst wäre er kaum ein Asylant in der
Schweiz geworden.
Vor der Annahme des Production Code 1930 durch die Filmindustrie hatte das Hays Office mit zwei selbstregulierenden Massnahmen den Druck auf Hollywood zu verringern versucht. Die „Formula“ von 1924 begutachtete die zur Verfilmung vorgeschlagenen Stücke und Romane, war somit auf Originaldrehbücher nicht anwendbar. Und zweitens sollte ein Verhaltenskodex unter dem Titel Don’t and Be Carefuls – 1927 festlegen, was nicht zu tun sei und womit man vorsichtig umgehen müsse. Elf Themen galten als total tabuisiert: gewisse sprachliche Ausdrücke, Nacktheit, Drogenhandel, sexuelle Perversionen, weisse Sklaverei, sexuelle Beziehungen zwischen Weissen und Schwarzen, Sexualhygiene und Geschlechtskrankheiten, Geburtsszenen, Geschlechtsorgane von Kindern, Verspottung des Klerus sowie Beleidigung einer Nation, einer Rasse oder einer Religion. 26 Themen mussten mit grosser Vorsicht und Diskretion behandelt werden.
Was sich zwischen 1930 und 1934 im Spannungsfeld zwischen Selbstregulierung durch die Filmindustrie und der Bedrohung durch eine staatliche Zensur abspielt, ist durch komplexe Zusammenhänge geprägt. Die Produktionsgesellschaften, die um die verdrängte Schaulust wissen, stehen im Konflikt mit den Kinobetreibern, die das repressive, sexualfeindliche, puritanische Klima ihrer Kinobesucher kennen, das von den kirchlichen und moralischen Komitees als Machtinstrumente gebraucht wird. In dem Moment, als die katholische Kirche im Kampf um die Einflussnahme in Hollywood führend wird, verschärft sich die Spannung zwischen der mehr protestantischen Landschaft und der von Katholiken und Juden geprägten Urbanität. In der Verbindung von protestantischen und katholischen Anti-Hollywood-Gruppen zeigt sich wiederum eine antisemitische Haltung gegen das jüdische Hollywood. Den Produktionsgesellschaften geht es um die Freiheit in der Geschäftspolitik, die darüber entscheiden will, was Gewinne einbringt, und auf der anderen Seite geht es um die Kontrolle der kulturellen Macht in einem Land, das die Unterhaltung zur Kultur erklärt hat.
Trotz der ausführlichen Benennung der Themen und Fakten liess sich der Production Code 1930 immer noch nicht durchsetzen. Dies wurde erst 1934 möglich. Wie kam es dazu? Oktober 1933 erklärte an einem katholischen Wohltätigkeitskonvent in New York Monsignor Ciognani: „Die Katholiken werden von Gott, dem Papst, den Bischöfen und den Priestern aufgefordert, sich zu vereinen für eine energische Kampagne für die Reinigung des Kinos, das zu einer tödlichen Bedrohung für die Moral geworden ist.“ Daraufhin setzte ein Kreuzzug gegen die „moralischen Krankheiten“ des Films ein, dem sich auch nichtkatholische Vereinigungen anschlossen. Schliesslich sieht sich die Filmindustrie 1934 gezwungen, das „Production Code Administration Office“ zu gründen und in zum Teil schwieriger Zusammenarbeit mit den katholischen Pressure Groups (Catholic Legion of Decency) – Selbstregulierung mit Hilfe der katholischen Kirche – den moralischen Inhalt der Filme, vom Stoff über Drehbuch und Produktion bis zum Schlussschnitt mitgestaltend zu überprüfen: Nur mit dem Bewilligungszertifikat durfte ein Film legal vorgeführt werden. Die Übertragung wurde mit 25 000 Dollar geahndet. Zudem setzten sich Produktion und Kinos den Boykotten aus. Noch 1956 warnte Kardinal Spellman, der ein glühender Befürworter des Vietnamkriegs war und in der Uniform an der Front erschien, vor dem Besuch von Elia Kazans BABY DOLL als einer Todsünde.
Doch von all dem unbelastet gedieh im Untergrund der Stagfilm, der frühe Pornofilm. Gleich den Flüsterkneipen, in denen es Whiskey und Bier gab, und den Spiel- und Opiumhöhlen gehörte er der Unterstadt an. Für Herrenabende, Bordelle und zum Privatgebrauch produziert, brauchte er keinen Code, sondern nur einen Markt. So schauen wir uns in Rückbesinnung an die Zwanzigerjahre, als der Kampf um die Filmmoral einsetzte, einen Stagfilm aus dem Jahre 1929 an, der in Form und Verkleidungen, Ornamenten, pathetischen Gesten sehr viele Elemente aufweist, die die Fantasmen eines Griffith oder die italienischen Leidenschaftsdramen kennzeichnen.
Da der Film auf den ersten Blick eher verwirrend wirkt, also nicht so linear wie HOT MUSIC möchte ich Sie auf einige inhaltliche Aspekte aufmerksam machen.
Zwei weibliche Figuren erwecken Pierrot, der schlafend danieder liegt. Ein weiblicher Pierrot, durch eine Halskrause gekennzeichnet, entkleidet eine Frau in stehender Position. Wie auf einer Klimt-Zeichnung umfliesst die dunkel bekleidete Frau den nackten Körper des weiblichen Pierrot. Eine erotische Kreuzabnahme. Man fühlt sich an Beardsley-Bilder erinnert, an die Ex Libris des englischen Zeichners. Aus der Dunkelheit des Hintergrundes taucht ein männlicher Pierrot auf, bekleidet mit einer Badekappe. Während vorne in der Bildbreite die beiden Frauen sich bewegen, reckt sich hinten in der Senkrechten der männliche Pierrot. Es ist, als würden die erotischen Fantasien von Bayros, Beardsley und Félicien Rops in Wandschmuck-Girlanden umgesetzt, die vor der Kamera sich verlebendigen: erotisches Bildgut des 18. und 19. Jahrhunderts. Auf einen Teppich mit vegetativen Musterungen hebt vor den dunkelschwarzen Hintergrund ein Körpergetümmel weisser Leiber an. Ein ungestümes pathetisches Begehren. Ein Mann mit und zwischen zwei Frauen. In einem Leinwandfüllendem Catch-Catch versucht jeder Körper immer wieder von neuem und austauschbar den anderen zu besitzen: ein Rondo von sich verschmelzenden Figurinen. Doch das Ganze war nur ein Traum – ein Kokaintraum – des nur im Traume wachgeküssten Pierrot. Die Erzählellipse führt wieder an den Anfang zurück.
Im Rahmen einer historischen Auseinandersetzung mit Darstellungsformen von Erotik und Sexualität im Film stellt sich die Frage nach der Genrebildung. Der frühe Pornofilm findet im Stagfilm seine eindeutige Genre-Bezeichnung und wird mit der Erweiterung zum Peep-Film in den Dreissigerjahren als Verkaufsangebot von Frauen diese Bezeichnung bis zu Beginn der Siebzigerjahre beibehalten: Durch die öffentliche Vorführung von Stag-Film-Inhalten im Kino und nicht mehr in den verbotenen Räumen entsteht der pornografische Spielfilm.
Im amerikanischen Kino
der Stummfilmzeit lässt sich kein Genre des erotischen Film ausmachen, hingegen
werden Erotik und Sexualität in die bestehenden Genres aufgenommen. Zunächst in die Slapstick-Groteskendie
und die frivolen Komödien, dann in die Monumentalfilmen und
die Melodramen.
Der Star lebt von der erotischen Ausstrahlung, der Verführung durch Körper und
Gesten. Am Star wird der Glamour, die ganze fetischistische Pracht inszeniert.
Am Star fixieren sich die Träume, auch die verdeckten, verbotenen des
Publikums. Der Star verkörpert Abenteuerinnen, Spioninnen, Schauspielerinnen,
Liebende und Vamps. Sie sind unerreichbar, entrückt, ungefährlich gefährlich
für erotische und sexuelle Projektionen. Sie können die Angst der Männer vor
der Sexualität aufnehmen und den Frauen den Traum von Befreiung, Schönheit und
Mode vermitteln. Doch der Starfilm ist keine Genrebezeichnung, aber er liesse
sich als Erotik-Film verstehen. Dies
lässt sich auch in anderen Ländern verfolgen, z. B. in Skandinavien und Italien
mit den Leidenschaftsfilmen, dem „Divismo“ als einer erotische aufgeladenen
Kino-Institution.
Eine andere Entwicklung können wir in Deutschland feststellen. Voraussetzung ist, dass es vom 12. November 1918 bis 1920 keine Zensur gab und diese Freiheit, die im Sinne demokratischer Entwicklung eine politische sein sollte, zeigt auf, welche begriffliche Veränderungen filmgeschichtlich stattfanden. Bereits 1917 dreht Richard Oswald unter Mitwirkung der Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten einen sogenannten Aufklärungsfilm ES WERDE LICHT über die Gefahren der Geschlechtskrankheiten. Denken Sie an den Hays Code, der solche Filme grundsätzlich verbieten wird. Aus der sogenannten Volksaufklärung entsteht der Aufklärungsfilm und aus dem Aufklärungsfilm der Animierfilm.
Das Publikum reagiert zwiespältig. Während Richard Oswalds Film ANDERS ALS DIE ANDEREN, der für die Aufhebung des Strafartikels 175 eintrat, der die Homosexualität unter Strafe stellte, von Publikum und Presse aufs heftigste abgelehnt wurde, fanden die Aufklärungsfilme über Geschlechtskrankheiten, Prostitution, Mädchenhandel (sog. Weisse-Sklavinnen-Filme), Freikörperkultur und Sexualhygiene aufgrund ihrer visuellen Schaureize, ihrer exotischen Orte des Verbotenen und der Ferne, ihrer Sexualeinlagen, Tanzszenen und Orgien ihr Publikum, aber auch ihre Gegner, die nach dem Höhepunkt zensurfreier Darstellung im Jahre 1919 die Einführung der Zensur 1920 wieder durchsetzten.
Aus den Aufklärungsfilmen war inzwischen ein filmisches Genre geworden: der Sittenfilm, der auch Triebfilm genannt wurde. Der Begriff „sexuelle Filme“, wie er z. B. von Curt Moreck 1926 gebraucht wurde, setzte sich nicht durch. Vielleicht weil das Genre sich wieder beruhigte oder weil die betreffende Filmgattung auf diese Weise zu eindeutig bezeichnet worden wäre. Zugleich findet gerade in Berlin der pornografische Film sein verstecktes gut zahlendes Publikum.
Bezeichnend für die Sitten- und Triebfilme ist, dass Sinnlichkeit, Lust und Leidenschaft, somit die Darstellung von Sexualität, in die Welt der Halbweltdamen, Dirnen, Luxusboudoirs, jeglicher sozialen Wirklichkeit enthoben, verwiesen und mit dem Begriff „Sünde“ verkoppelt wird. Dies geht besonders auch aus den Titeln hervor, die da lauten:
Wir können feststellen:
1. Mit der Aufhebung der Zensur im Nachkriegsdeutschland entsteht ein „sexueller Film“, der als Aufklärungsfilm, Sittenfilm, Triebfilm bezeichnet wird und in seiner Äusserungsform einem Softporno mit viel Huren- und Halbweltromantik, Exotik und körperlicher Entblössung entspricht.
2. wird zugleich der Film mit Schuld, Sünde und Sühne beladen. Der Schaulust entspricht ein schlechtes Gewissen. Wie definierte Griffith die Elemente des Films: Blut, Sex und die Bibel. Desgleichen ist das Bild der Frau wie im italienischen Divismo und den Leidenschaftsfilmen, wie in der Entwicklung des amerikanischen weiblichen Stars an die Femme Fatale, an den Vamp gebunden. .
Schauen wir uns eine deutsche Ausgabe der grossen gefährlichen Verführerin an. Im Film ASPHALT (1929) – also ohne Schmetterling und Blüten – von Joe May, der durch die Verfilmung des INDISCHEN GRABMALS 1920/21 international berühmt geworden war, wird eine elegante Dame in einem Bijouterie Geschäft des Brillanten-Diebstahls überführt, und ein unbescholtener Schutzmann hat sie auf den Polizeiposten zu bringen. Auf dem Weg dorthin lockt sie den Schutzmann, gespielt von Gustav Fröhlich, dem Sigfried-Darsteller, blond und deutsch und ehrlich, in ihre Wohnung, um ihn zu verführen. Als dies nicht gelingt, greift sie zu rabiateren Mitteln. Wie eine Spinne springt sie den Mann an, umklammernd, ihn umschlingend. Details schaffen filmische Erotik, wie z. B. der Helm zu Boden fällt, sodass sie den Schutzmann küssen kann, wie die nackten Füsse auf dem Schwarz des Stiefels spielen oder wie sie zunächst zugedeckt im Bett liegt, als wäre sie nackt unter der Decke. Der Schutzmann wartet auf sie, das sie angeblich ihre Papiere im Boudoir suchen muss.
Bevor wir auf unserer historischen Reise durch die erotische Bildwelt den Stummfilm verlassen – wir werden im Zusammenhang mit der ausgeklammerten Geschichte des Stagfilms noch einmal auf ihn zurückkommen –, blende ich eines der erotischsten Filmwerke ein. Es handelt sich um die Verfilmung von Frank Wedekinds Theaterstücke ERDGEIST und BÜCHSE DER PANDORA durch Georg Wilhelm Papst 1928.
Papst ist der Regisseur der Neuen Sachlichkeit, die sich als Begriff nicht nur auf den Film seit 1925 in Deutschland anwenden lässt, sondern ebenso sehr auf Malerei (Dix und Schad), Literatur und Architektur. Sie fordert die objektive Sichtung der Welt, sodass alles Sichtbare als vorhandenes visuelles Material einer realistischen Darstellung unterworfen wird. Mit einer derart auf realistische Zeichnung versessene Filmästhetik geht Papst das „Weib, das schöne Tier“ an. Als ERDGEIST strahlt es eine irdische erotische Macht aus, die keine moralischen und gesellschaftlichen Grenzen kennt und sich in voller Unschuld amoralisch verhält. In Louise Brooks, die von Hawks entdeckt worden war, fand Papst die kongeniale Darstellerin, die charmant, von unglaublicher Leichtigkeit, spielerisch und vital in animalischer Freiheit jegliche gesellschaftliche Norm und Konventionalität zerfetzt. Im Zeichen einer „Neuen Sachlichkeit“ wird, was das Kino bis anhin als „männerfressenden Vamp“ verkaufte, von Louise Brooks als selbstverständliche Lebensform dargestellt. Papst z. B. lässt Louise Brooks in einer Kussszene, obwohl dies niemand sieht, nackt unter ihrem weissen Bademantel spielen. So entsteht auf dem Hintergrund einer kühlen Sachlichkeit eine vibrierende Erotik, die eingetaucht in ein Fluidum von Licht und detailgesättigter Stimmung eine sehr materielle Gegenwärtigkeit aufbaut. Louise Brooks erlebte am Ende der Stummfilmzeit als eine sich natürlich gebende ihrer persönlichen Ausstrahlung vertrauende Schauspielerin eine kurze steile Karriere. Dann verschwand sie wieder. Die Ausstrahlung ihres Körpers, der in voller Unbekümmertheit keine Tabus kannte, wirkte, wie die Reaktionen der Zeit aufzeigen, gefährlich revolutionär und chaotisch anarchistisch. Durch allen ästhetischen Glanz blitzte eine ungebändigte Sexualität, der man, wie man es in Frankreich versuchte, mit keiner Zensur beikam.
Wir schauen uns eine Sequenz im Variététheater an. Da die Braut ihres reichen Liebhabers Dr. Schön, Chefredaktor, auftaucht, weigert sie sich zu spielen. Erst wie ihr der Skandal gelingt, welche die Braut eliminiert und den Liebhaber zur Heirat zwingen wird, begibt sie sich wieder auf die Bühne.
Das Ende des Films klingt in der Gosse aus: Lulu versucht mit ihren Freunden, mit Schigolch in einer Mansarde in London als Hure zu überleben. Sie holt sich einen Freier auf der Straße. Es ist dies Jack der Ripper. In der Begegnung zwischen dem Mörder und der Frau hebt eine ungemein subtile Liebesszene an. Auf dem Weg zur Mansarde lässt er das funkelnde Messer fallen, und sie übersieht, dass er kein Geld bei sich trägt. Die Schlusssequenz des Films mit ihren Groß- und Detailaufnahmen, mit ihrem Lichtfluidum und ihrer ruhig dahinfließenden Bildmontage, mit ihrer in malerischer Stimmung eingetauchten fotogenen Gegenwart von Gegenständen und Gesten gehört zu den ganz großen Szenen der Darstellung von Eros und Tod im Film. Ich zeigte nur einen kurzen Ausschnitt von 4,5 Minuten aus der Sequenz. Die Sequenz ist in ihre, langsamen Fluss von erotischem Zauber und tödlicher Bedrohung sehr lange. Der Ausschnitt stammt aus einer englischen Fassung.
Der nächste Filmausschnitt führt uns nach Hollywood zu Beginn der Dreissigerjahre. Der Film spielt um 1892 in der Belle Epoque.
Der Liebling der Nation, die kleine Mae West, denn sie war nur 1 Meter 57 gross, war jedoch nicht der Liebling der Selbstzensur, wie sie seit 1930 gehandhabt werden sollte, aber zum Leidwesen der moralischen Institutionen nur ungenügend funktionierte. BELLE OF THE NINETIES gehörte zu jenen Filmen, die bereits 1933 in Produktion gegangen waren, aber aus Angst vor drohenden Boykotten und angesichts der neuen Verhandlungen zwischen Industrie, Kirche und Anstandsvereinigungen zurückgehalten wurden. Zweimal wurde der Film umgeschnitten, schliesslich wurde sogar der ursprüngliche Titel IT AIN'T NO SIN in den unverfänglichen Titel BELLE OF THE NINETIES abgeändert. Dabei war der Film in der Darstellung einer Frau aus dem Tingeltangel-Milieu, die nicht einfach flachzulegen war, durchaus moralisch. Doch ihr emanzipatorischer Umgang mit Männern entsprach wohl nur begrenzt den gesellschaftlichen Vorstellungsbildern: Sie wählt die Männer selber aus. Die Käufliche ist nicht käuflich und hat durchaus Prinzipien.
Wie Ruby Carter im Haus der Sensationen zu New Orleans als Sängerin auftritt, umflattern die Männer sie wie Motten das Licht, und jeder versucht sie für sich zu gewinnen, so auch der Besitzer des Lokals.
In einer kleinen Rolle war Mae West 1932 mit 39 Jahren in Mayos Filmkomödie NIGHT AFTER NIGHT zum Film gekommen, nachdem sie seit ihrem 5. Altersjahr auf der Bühne gestanden und über Tingeltangel, Night Clubs und Revuen berühmt geworden war. 1926 eröffnet sie mit ihrem selbst verfassten Theaterstück mit dem lapidaren Titel SEX eine Reihe von Broadway-Erfolgen, die auf der Umsetzung von Tingeltangel, Varieté und den sogenannten „Jooks“ den schwarzen Bordellen auf die Theaterbühne am Broadway, aber auch auf Skandalen und Polizeirazzien beruhte. Ihre Devise, die ihr auch das von ihr so sehr geliebte Geld einbrachte und ihr erlaubte, das Leben in vollen Zügen zu geniessen, lautete: „Die Leute wollen Schmutz in den Stücken sehen, also bekommen sie ihn von mir.“ (S. 195, Biografie) Dem entspricht die im Zusammenhang mit Mae Wests Theaterstück 1926 in der Zeitschrift „Life“ geäusserte Bemerkung: „Selig sind die, die lüsternen Herzens sind, denn sie wissen, was die Öffentlichkeit will.“
Zwischen 1932 und 1940 spielt sie in neun Filmen, zu denen sie auch teilweise die
Drehbücher schrieb oder für die sie ihre eigenen Theaterstücke umarbeitete.
Stets stellt sie, unter dem Druck der Selbstregulierung immer moderater und
versteckter, die Figur der unabhängigen Frau dar, die mit der Welt und den
Männern umzugehen weiss.
Unverschämt wie ein weiblicher John Wayne
nimmt sie aus ihren Hüften heraus den Anlauf zu ihren Auftritten, leicht
wiegend, wippend, die mit Diamanten bestückte Hand auf der Hüfte aufgestützt, und
platziert statt Schüssen ihre knappen Sätze, ihre Einzeiler: ihre One-Liners.
Dass diese Sätze mehrdeutig eindeutig vieldeutig sind, verdankt sie einer
Gesellschaft, welche die egogepanzerte Frau als Schock erlebt. Wie Männer sie
anstarren, sagt sie: „Es ist besser angesehen als übersehen zu werden.“ Und sie
lässt sich nicht übersehen, in ihrer drallen Körperlichkeit, mit ihren
stereotypen Bewegungen, in ihrem Belle-Epoque-Look der puritanischen
Schnürungen und gigantischer Hüte, während sie von einem Mann sagt: „Der Kerl
taugt nichts und hat nie etwas getaugt. Seine Mutter hätte ihn wegwerfen und
den Storch behalten sollen.“
Oder einen Mann musternd fragt sie: „Hast du eine Pistole in der Tasche oder
freust du sich, mich zu sehen?“
Schauen wie uns noch eine kurze Sequenz an, die die Eindeutigkeit des Songs mit
der Vieldeutigkeit von Sätzen und Blicken verbindet.
BELLE OF THE NINETIES, den wir heute nur in seiner umgetauften und zwei Mal überarbeiteten Fassung kennen, hatte neben Metro Goldwyn Mayers TARZAN, THE GIRL VON MISSOURI mit Jean Harlow, THE STORY OF TEMPLE DRAKE nach William Faulkners Roman SANCTUARY und vielen anderen Filmen, die zurückgehalten, umgeschnitten, nach Jahren erst auf den Markt gebracht wurden, den Kreuzzug gegen Hollywood zwischen 1932 und 1934 angefacht, sodass Hollywood schliesslich gezwungen war, mit dem „Production Code Office“ den ökonomischen Zusammenbruch abzuwenden. Am gefährlichsten erschien den kirchlichen und moralischen Institutionen Mae West.
So wurde sie denn auch nach 1934 systematisch um ihre emanzipatorische, anarchistisch-aggressive Ausstrahlung gebracht. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zog sie sich schliesslich in die Welt der Variétées und Night Clubs zurück, gelegentlich ohne Zensurschwierigkeiten filmend, bis sie zuletzt noch einmal einen Sexstar spielte, 85-jährig in Ken Hughes Film SEXTETTE (1977). 1980 starb sie mit 88 Jahren in „Los Angeles“. Vor der Einführung des rigiden Production Code von 1934 waren bereits drei Filme mit Mae West auf den Markt gekommen. In den einen – I’M NO ANGEL – wird jene Umwelt gegenwärtig, aus der Mae West entstanden war: aus der Schaulust von Jahrmarkt, Variété, Tingeltangel und Vaudeville-Burleske. Als Löwenbändigerin Tira singt sie leicht körperwallend das Lied von der Sister Honky-Tonk, Schauobjekt von geilen Männerblicken. Mit leichten Summtönen spielt sie zwischen angedeuteter Lust und Ironie und stellt sich als Engel und Teufel dar.
War das nun klar genug – Idioten.
Der Film endet nach vielen Irrungen und
Wirrungen und ebenso vielen Ein- und Zweizeilern, die zu geläufigen anspielungsreichen
Bon Mots wurden in der glücklichen Vereinigung zwischen der Löwenbändigerin
Tira (Mae West führt denn auch im Film eine Original-Zirkusnummer mit
Löwen vor) und dem charmanten Millionär Jack Clayton, gespielt vom ganz jungen
Cary Grant.
In der letzten Minute des Films bricht alles
noch einmal durch, was die Filme Mae West so gefährlich erscheinen
liess:
hinter jeder Anspielung steht die sexuelle Realität.
Der Komödie Ich bin kein Engel war 1932 die von Mae West selbst verfasste Adaption ihres 1928 erfolgreichen Broadway-Theaterstückes "Diamond Lil" vorausgegangen: SHE DONE HIM WRONG/SIE TAT IHM UNRECHT. Das Hays-Office vermochte trotz klaren Verletzungen der Produzenten Übereinkunft die Realisierung des Films nicht zu verhindern, was Hays viel Schmähe eintrug und jene Kreise stärkte, die auf staatliche Zensur drangen. Der Film wurde trotz oder vielmehr auch dank der Eingriffe der lokalen Zensurbehörden in Amerika und in weltweiten Verboten (z. B. in Wien) und Verstümmelungen (z. B. in England) ein gigantischer Erfolg, was wiederum die Sittenwächter alarmierte. Als Beispiel für die nachträglichen Verstümmelungen zeige ich Ihnen, was von einem Song noch übrig blieb, der zum Thema einen Mann hat, der sich Zeit lässt: „A Guy What Takes His Time“. Das Lied gefiel Mae West so gut, dass sie eines ihrer drei Rennpferde „Take Your Time“ taufte. (Biografie S. 350)
Nicht einmal mehr eine Minute blieb vom Song übrig. Teilweise wurde der Song überhaupt eliminiert. Ich lese Ihnen zunächst vor, was auf keinen Fall vom Publikum verstanden wurden durfte: S. 350f.
Eine superschnelle Nummer
Setz' ich ganz schnell an die Luft.
Ein Mann, der eilt,
bekommt von mir
Nicht mal ein
müdes Lächeln.
Ich steh' jedoch auf jeden Sänger,
Bei dem die Musik etwas länger
Verklingen darf.
Was für ein
Schlaflied wär' das doch,
Hätt' ich 'nen Mann, der sich Zeit nimmt,
Nimmt ein Mann sich Zeit,
Gefällt er mir jederzeit.
Wer zu sehr eilt,
Verdirbt sein Meisterwerk.
Ich will kein grosses Getue,
Ich mag nun mal die Zeitlupe.
Warum soll ich's bestreiten?
Mir würde's Freude bereiten,
Kennt' ich 'nen Mann, der sich Zeit nimmt.
Es macht einfach keinen Spass,
Tut man was in grosser Hast,
Wenn man zum Höhepunkt kommen will.
Ist einer ein Amateur
Oder ein Connaisseur,
Ich merke es immer sofort.
Da gibt's kein Alibi,
Verkennen tu ich's nie,
Wer sich prima eignen würde
Als Mann, der sich Zeit nimmt.
Explizit – in der Form eines Songs – geht es um die Darstellung sexueller Lust und Befriedigung, genossen von einer Frau, die den Slow-Motion-Koitus liebt, dargeboten in einer perfekten Nahaufnahme von strahlendem Weiss, im Licht einer Alabaster-Haut, dekoriert mit Kostüm und Hut, ohne Andeutung von Nacktheit, im Dekor vergangener Jahrmarkt- und Theaterzeiten, als wäre dies alles schon längst Vergangenheit, Nostalgie der Pionierzeit, neu erstanden in der Gegenwart des Films, der unschuldig Geschichte zitiert und inszeniert. Wenn wir von der Konfrontation Mae Wests, ihrer Theaterstücke und Filme mit der Öffentlichkeit ausgehen, ergibt sich eine explosive Spannung, die sich schliesslich gegen Mae West kehrt.
Fassen wir zusammen: Ihre Darstellung steht in der Tradition von Jahrmarkt-Tingeltangel, Variété und Theaterburleske. Ihre Sprüche leben in ihrer Zweideutigkeit von der Reizung der Fantasie des Publikums. Obwohl nur 1 Meter 57 Zentimeter gross wirkt ihre plastisch geformte dralle Körperlichkeit machtvoll gegenwärtig. Sichtbar ist eine Zeichensprache, deren sexueller Gehalt gegen den Strich gelesen werden muss: so wenn sie am Ende von I’M NO ANGEL, zum Happy End – zum Schluss-Kuss ihre Finger spreizt statt, wie es dem Kino-Bild entspricht, mit der Hand zu umarmen. Mit ihren schlüpfrigen Bemerkungen wählt sie die Form des schnellen Witzes, welche die sexuelle Spannung im Lachen entlädt. Sie balanciert mit ihrem Körper, ihren Gesten, ihren Blicken zwischen lockender Abweisung und abweisender Hingabe. Auf diese Weise bewahrt sie ihre Eigenständigkeit, ihre Autonomie und ihre eigene Moral, die in der Rezeption als amoralisch taxiert wird, sodass Kardinal Mundelein von Chicago ein Traktat mit dem Titel "Verrat der Filmindustrie an Amerika" verfassen lässt, in dem die katholische Jugend Amerikas aufgefordert wird, "die abscheuerregenden Filme" der Mae Westzu boykottieren.
Die Rezeption in der Öffentlichkeit ist widersprüchlich. Einerseits spricht das Publikum unverhohlen auf die frühen, nur teilweise beschädigten Filme an, amüsiert sich an der Darstellungslust der Mae West, was die Paramount vor dem Konkurs rettet und Mae West Erfolg und Geld einbringt. Andererseits lösen die Filme heftige emotionale Reaktionen aus, die bis heute in der Beurteilung dazu führen, dass man ihr den Sex-Symbol-Charakter abstreitet und dass sie als Clown bewertet wird. Unerträglich erscheint ihre aggressive Emanzipation, indem sie die Figur des Vamp mit Autonomie ausstattet und bemerkt, sie liebe nicht das Leben der Männer, was die Ausbeutung ermöglichen würde, sondern das Leben in den Männern. So war wohl unerträglich, was sie programmatisch bereits 1926 in ihrem Theaterstück "Sex", das ihr Verhaftung und Haft einbrachte, verkündete, dass es bei ihrer ganzen Darstellungslust um "Sex" geht.
Dia: In dieser Szenen-Fotografie ist wiedergegeben, was Mae Wests Spielweise ausmacht. Sie lehnt sich nach hinten, als wäre sie zu einem leidenschaftlichen Kuss bereit, und zugleich wirkt sie wie eine Festung, die nicht eingenommen werden kann, sich jedoch einnehmen lässt, wenn die Herrin der Festung die entsprechenden Anweisungen gibt.
Mae West lehnte in den Fünziger- und in den Sechzigerjahren, als das Klima der sexuellen Repression sich veränderte, immer wieder Rollenangebote ab, so auch Frederico Fellinis Angebot für GIULIETTA DEGLI SPIRITI (Julia und die Geister) und SATYRICON, in dem sie eine erotische Hexe hätte spielen sollen. Auch Fellini verweist Mae West aus dem Pantheon der Sex-Göttinnen, da sie zum Lachen reize, was anti-erotisch sei, als ob das Lachen nicht auch den sexuellen Spass einschliesst. Zitat Federico Fellini: "Sie schien mir immer antisexuell zu sein, weil sie aus dem Sex eine witzige Sache machte und einen damit zu lachen brachte – das aber ist antierotisch. Ich glaube, dass ihr wahrer Sex ihre Arbeit war." Da stellt sich die Frage: war es bei Fellini anders, wenn er seine Barockgemälde von Körpern, Bewegungen, Farben, von Busen- und Po-Landschaften eingetaucht in Tingeltangel-Musik entwarf und die Darstellung von Sexualität auf der Leinwand zu akzeptieren, wenn sie sich ungewohnter Formen bedient, z. B. jener genussvollen Körper- und Sprach-Präsentation, wie sie aus der Geschichte des Theaters ersteht. Trotz den Erfolgen der Mae-West-Filme fürchtete Hollywood, dass die Anti-Hollywood-Bewegung der moralischen, kirchlichen Vereinigungen das Geschäft zunichte macht und ging auf die Selbstregulierung des Hays Code Office ein.
Es war denn auch so, dass das grösste Geschäft nach 1935 ein Kinderstar wurde: Shirley Temple. Zwei Beispiele. Schauen wir uns zunächst an, wie Shirley Temple in THE LITTLE COLONEL – 1935 – sie ist sieben Jahre alt – gut patriotisch, staats- und familienerhaltend in den Film eingeführt wird:
Zu Shirley Temple spezieller Erotik gehörten ihre Tanz- und Gesangsnummern, besonders wenn sie mit ihrem Kindercharme steril unschuldig inmitten von Männern, von Offizieren und Soldaten tanzte, was der perversen Züge nicht entbehrt. In THE LITTLE REBELL steppt sie mit einem schwarzen Diener, um für ihren Vater, der im Gefängnis einsitzt, Geld zu beschaffen. Statt eines Stagfilms beenden wir unsere heutige Vorlesung mit einem Ausschnitt aus einem Shirley Temple-Film – ein Stagfilm spezieller Art, kinderfreundlich.
PIERROT (US 1929)
ASPHALT (DE 1929) R: Joe May, B: Rolf E. Varloo, Fred Majo, Hans Szerkely, K: Günther Rittau, M: Willy Schmidt-Gentner, P: Erich Rommer und Joe May für UFA, D: Gustav Fröhlich (Wachtmeister Holk), Betty Amann (Else Kramer)
DIE BÜCHSE DER PANDORA (DE 1929) R: Georg WIlhelm Pabst, B: Joseph Fleisler, Ladislaus Vajda, Georg Wilhelm Pabst nach den Bühnenstücken "Erdgeist" und "Die Büchse der Pandora" von Frank Wedekind, K: Günther Krampf, P: Seymour Nebenzahl für Süd-Film, D: Louise Brooks (Lulu), Fritz Körtner (Dr. Schön). Franz Lederer (Alwa Schön), Gustav Diesel (Jack the Ripper)
BELLE OF THE NINETIES (US 1934) R: Leo McCarey, B: Mae West, K: Karl Struss, M: Arthur Johnston, P: William LeBaron für Paramount, D: Mae West (Ruby CArter), Roger Pryor (Tiger Kid), Jphnny Mack Brown (Brooks Claybourne)
I'M NO ANGEL (US 1933) R: Wesley Ruggles, B: Mae West, K: Leo Tover, M: Herman Hand, Howard Jackson, Rudolph G. Kopp, John Leipold, Heinz Roemheld, P: William LeBaron für Paramount, D: Mae West (Tira), Cary Grant (Jack Clayton)
SHE DONE HIM WRONG (US 1933) R: Lowell Sherman, B: John Bright, Hrvey Thew, K: Charles Lang, M: John Leipold, P: William LeBaron für Paramount), D: Mae West (Lady Lou), Cary Grant (Capt. Cummings), Owen Moore (Chick Clark)
THE LITTLE COLONEL (US 1935) R: David Butler, B: William M. Conselman nach dem Roman von Annie Fellows Johnston, K: Arthur C. Miller, M: Cyril J. Mockridge, P: Buddy G. DeSylva für 20th Century Fox, D: Shirley Temple (Lloyd Sherman), Lionel Barrymoore (Colonel Lloyd), Evelyn Venable (Elizabeth Lloyd Sherman)
THE LITTLEST REBEL (US 1935) R: David Butler, B: Edwin J. Burke nach dem Theaterstück von Edward Peple, K: John F. Seitz, M: Cyril J. Mockridge, P: Darryl Zanuck für 20th Century Fox, D: Shirley Temple (Virgie CAry), John Boles (Herbert Cary), Jack Holt (Colonel Morrison)